Das große Plus
„Araneus diadematus“, die gemeine Kreuzspinne. Foto: Frank Niemeier
Spinnen gehören im Allgemeinen nicht zu den Tieren, die man anfassen oder gar knuddeln möchte, Letzteres könnte für die Spinne verheerende Folgen haben. In unseren Breiten besonders verbreitet ist die Kreuzspinne und sie hat anscheinend ein eigenes Erschreck-Potenzial: das weiße Kreuz auf ihrem Hinterleib. Im Internet kann man lesen, dass dies „furchtsamen und abergläubischen Menschen einen Schrecken einjagen mag“. Erschrecken wegen des Kreuzes? Diese Zeiten sind hoffentlich vorbei.
von Claudia Auffenberg
Ein Schreckenszeichen war das Kreuz ursprünglich nicht, obgleich es – das muss man zugeben – dazu gemacht worden ist, auch seitens der Kirche. Die hat das Kreuz übrigens nicht erfunden. Das älteste bekannte ist das ägyptische Henkelkreuz, bei dem der obere Balken die Form einer Schlaufe hat. In der Hieroglyphenschrift ist es das Lebenszeichen Anch und mit dieser Bedeutung hat es die koptische Kunst als „crux ansata“ übernommen.
Zunächt ist das Kreuz ein abstraktes Zeichen ohne jegliche Bedeutung. Die kommt ihm erst von außen zu. Einen echten Karriereschub machte es ab dem 4. Jahrhundert, als der römische Kaiser Konstantin in einer Vision das Kreuz – ein ihm bis dahin unbekanntes Zeichen – sah, und dazu die Worte hörte: „In diesem Zeichen wirst du siegen.“ Als er tatsächlich seinen Gegner Maxentius in der Schlacht an der Milvischen Brücke schlug, wurde das Kreuz zum kaiserlichen Propagandazeichen und gilt seitdem auch als Logo der Christenheit. Was Marketingexperten vermutlich gleichermaßen kritisieren und bestaunen werden: Es gibt keine einheitliche Wort-Bildmarke, also kein einheitliches Kreuz, weder in der Form noch in der Farbe. Das Lexikon der christlichen Ikonografie kennt 24 verschiedene christliche und nichtchristliche Formen. Dennoch dürfte weltweit nahezu jeder, der ein Kreuz auf einem Gebäude sieht, wissen, um welche „Firma“ es geht.
Aber wofür steht das Kreuz genau? Was sehen Christen, wenn sie es erblicken? Wichtig ist zunächst, was sie nicht sehen, nämlich die historische Nachbildung eines Mordinstruments. Darum geht es nicht! Zudem war das Konstrukt, an dem Jesus gestorben ist, kein Kreuz, sondern eher ein T. Das Argument also, man könne doch genauso gut einen Galgen oder einen elektrischen Stuhl nachbilden und in Klassenzimmer hängen, ist falsch. Christen erinnert das Kreuz zwar an ein historisches Geschehen, aber als Symbol steht es für eine Hoffnung, aus der sie leben und auf die sie zugehen. Und diese Hoffnung gründet in der radikalen Hingabe Jesu, des Gottessohnes, und in dem Bekenntnis, dass er auferstanden ist. Ohne diesen Glauben an die Auferstehung bleibt das Kreuz ein grafisches Element, ein Amulett. Mit diesem Glauben bildet es den Punkt ab, an dem sich Himmel und Erde einander kreuzen. Oder anders notiert: Erde + Himmel = Hoffnung.
Wenn am kommenden Mittwoch das Fest Kreuzerhöhung gefeiert wird, dann geht es also darum, die Hoffnung hochzuhalten. Da, wo wir das Kreuz machen, fällt Gottes Segen auf die Erde. Da ist eine Kraft, dass wir nicht zu „Kreuze kriechen“.