Vor 225 Jahren wurde Luise Hensel geboren

In Paderborn verbrachte ­Luise Hensel ihre letzten ­Lebensjahre. (Fotos: Patrick Kleibold)

Sie bezauberte Dichter wie Clemens Brentano, E. T. A. Hoffmann und Heinrich von Kleist. Luise Hensel ist als Lyrikerin trotzdem fast vergessen. Dabei wird ihr bekanntestes Werk bis heute zitiert, jeden Abend und tausendfach. Vor 225 Jahren wurde sie als Tochter eines protestantischen Pfarrers geboren.

Bonn (KNA). Wo abends mit den Kindern gebetet wird, greifen die Eltern oft zu einem über 200 Jahre alten Gedicht. Vielleicht, weil sie „Müde bin ich, geh’ zur Ruh“ noch von früher auswendig kennen. Oder weil die gleichförmigen Reime den Nachwuchs so schön in den Schlaf bugsieren. Von wem aber das naiv-­romantische „Abendlied“ stammt, das es bis ins Evangelische Gesangbuch geschafft hat, weiß kaum jemand. Dabei war Luise Hensels Leben, das vor 225 Jahren begann, durchaus ungewöhnlich mit seinen zahlreichen Wendungen und Verehrern – von denen sie allerdings keinen heiratete.

Geboren am 30. März 1798 als protestantische Pfarrerstochter in Linum (Brandenburg), verlebt Luise zunächst eine unbeschwerte Kindheit. Doch nach dem frühen Tod ihres Vaters muss die Elfjährige mit ihrer Mutter nach Berlin ziehen. Schon mit 14 schließt sie einen „Pakt mit Gott“ und beginnt früh, Gedichte zu schreiben.

Bald macht die gebildete junge Frau Furore in den Salons der Berliner Gesellschaft, wo sie mit Dichtern wie Adelbert von Chamisso und E. T. A. Hoffmann parliert. Heinrich von Kleist nennt sie „hold wie eine Rose“. Und Clemens Brentano schreibt im August 1818, Luise Hensel sei „unter allen Mädchen und Weibern“, die er je gekannt, „die ausgezeichnetste und tiefste“. Bereits kurz nach ihrem Kennenlernen 1816 macht Brentano, damals Ende 30, je einmal verwitwet und geschieden, der 18-­Jährigen einen Heiratsantrag. Sie lehnt ab; doch bleiben sie fast bis zu Brentanos Tod 1842 eng verbunden, auch wegen ihrer gemeinsamen Glaubensgeschichte.

Rastlose Jahre zwischen Westfalen, dem Rheinland und Boppard

Denn am 7. Dezember 1818 setzt Luise einen lange gehegten Entschluss um: Sie tritt zum katholischen Glauben über. Doch Familie und Freunde bekunden Unverständnis und legen ihr nahe, Berlin zu verlassen, was sie 1819 tut. Es folgen rastlose Jahre zwischen Westfalen, dem Rheinland und Boppard, wo sie als Gesellschafterin, Erzieherin, Lehrerin oder Krankenpflegerin ihren Lebensunterhalt verdient.

Ab 1829 ist sie durch die Ehe ihres Bruders, des Hofmalers Wilhelm Hensel, mit der Komponistin Fanny Mendelssohn auch mit Felix Mendelssohn Bartholdy verschwägert. Sie selbst weist über die Jahre mehrfach Bewerber ab, vor allem aus religiösen Gründen. Denn sie will ihr Leben Gott weihen: Am 6. März 1820 legt Luise bei dem Jesuiten Heinrich Wüsten in Düsseldorf das Gelübde der Jungfräulichkeit ab.

Auch Brentano wird durch die Freundin und ihre geistlichen Gedichte zu einer inneren Wandlung motiviert. Bereits 1817 legt der Katholik die Generalbeichte ab und bekundet die Absicht, ein tugendhaftes Leben zu führen – wohl auch, um Luise doch noch zu gewinnen. Ein gemeinsames Herzensanliegen der beiden ist die Sorge um die stigmatisierte Nonne Anna Katharina Emmerick aus Dülmen, die Luise zeitweise pflegt, während Brentano insgesamt mehrere Jahre am Bett der Nonne verbringt und deren Visionen aufzeichnet. Auf Wunsch der 2004 seliggesprochenen Mystikerin ordnet Luise nach deren Tod 1824 den Nachlass.

Das Grab der Schriftstellerin auf dem Paderborner Ostfriedhof.

Körperliche Gebrechen und Zweifel an ihrem Lebensweg

Luises letzte Jahre sind gezeichnet von körperlichen Gebrechen und Zweifeln an ihrem Lebensweg. 1872 zieht sie schließlich nach Paderborn, in die Nähe ihrer einstigen Schülerin Pauline von Mallinckrodt, zusammen mit Clara Fey und Franziska Schervier eine von drei bedeutenden – ­inzwischen seliggesprochenen – Ordensgründerinnen, die sie an der Höheren Töchterschule Sankt Leonhard in Aachen unterrichtet hatte. Luise Hensel stirbt am 18. Dezember 1876 und wird in Paderborn beigesetzt.

Auch ihre Grabinschrift erinnert an ihr bekanntestes Werk, das vierstrophige „Müde bin ich, geh’ zur Ruh“, das sie mit nur 18 Jahren im Herbst 1816 dichtet. Es wurde mehrfach vertont, umgedichtet und auch parodiert.

Die gleichförmigen Trochäus-­Verse bewegen sich von der Bitte an Gott, über dem Schlaf des lyrischen Ichs zu wachen, über die Fürbitte für Verwandte und „alle Menschen groß und klein“ bis hin zur naturromantischen Vorstellung, dass der „Mond die stille Welt“ besehe – alles kindgerechte Bilder einer schlichten Frömmigkeit. Lediglich die zweite Strophe mit dem Verweis auf „Jesu Blut“, das „allen Schaden gut“ mache, dürfte manche Eltern heute in Erklärungsnot bringen.

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