Nach 350 Jahren etwas Neues – Neunutzung Küsterhaus

Die Terrasse des renovierten Küsterhauses im Schatten der Kirche dient im Sommer einmal im Monat als Sonntagscafé. (Foto: Leskovsek)

Im Erzbistum Paderborn stehen viele Gebäude von Kirchengemeinden infrage. Doch was tun, wenn eine Immobilie nicht mehr gebraucht wird? In St. Vit, einem Ortsteil von Rheda-­Wiedenbrück, ist es gelungen, das unter Denkmalschutz stehende Küsterhaus einer neuen Verwendung zuzuführen.

Rheda-Wiedenbrück. Die Gebäude-­Ausstattung der Kirchengemeinden nimmt noch Maß an den Bedarfen der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Seit dieser Zeit hat sich die kirchliche Realität aber maßgeblich verändert, auch in Rheda-­Wiedenbrück. Das ehemalige Küsterhaus St. Vit ist ein gutes Beispiel dafür, wie man ehemalige Gebäude im Kirchenbesitz sinnvoll und nachhaltig nutzen kann.

2014 brach nach dem Tod des letzten hauptamtlichen Küsters eine über 350-­jährige Tradition in dem kleinen Dorf ab und stellte die Verantwortlichen vor eine Herausforderung. Das im Jahr 1658 auf Geheiß von ­Fürstbischof Wilhelm von ­Wartenberg errichtete Küsterhaus, zudem das älteste ­Wohnhaus im Dorf, stand nun leer. Elf Küsterfamilien hatten das Fachwerkgebäude bis dahin teils über mehrere ­Generationen bewohnt. Und dann im Jahr 2014: Leerstand – was ist zu tun?

Herausforderung aber auch eine gestaltbare Chance

Alle denkbaren Optionen schieden aus unterschiedlichen Gründen aus. Weder eine Vermietung, noch Renovierung oder ein Verkauf kamen infrage, weil sich das Gebäude in direkter Nachbarschaft zur Barockkirche befindet. Ein Abriss des ortsgeschichtlich bedeutsamen Gebäudes war weder gewollt noch möglich – schon in den Achtzigerjahren wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Wie so oft beinhaltete diese Herausforderung aber auch eine gestaltbare Chance. 2014 fand sich eine kleine Gruppe engagierter ­Dorfbewohner, denen der Erhalt des Hauses wichtig war. Sie wollten das Gebäude, das nicht nur als Unterkunft des Küsters und des Pfarrers gedient hatte, sondern auch als erstes Schul­gebäude des Dorfes und Gasthaus, erhalten.

2015 gründete sich aus der kleinen Initiative ein Verein, dem das Küsterhaus per Erbbaurechtsvertrag überschrieben wurde. Ziel des jungen Vereins war die Renovierung und spätere Nutzung des Küsterhauses als Dorfgemeinschaftshaus. Über drei Jahre wurde das Vorhaben geplant, berichtet Ludger Vollenkemper, Vorsitzender des Trägervereins „Dorf aktiv“. Aus anfänglichen Kostenschätzungen wurden seriöse Berechnungen. Finanzielle Mittel aus öffentlicher Hand, Stiftungen und anderen Quellen wurden zusammengetragen und Eigenmittel gebildet. Von 2018 bis 2020 konnte das Küsterhaus dann tatsächlich umfassend renoviert werden. Inklusive der Neugestaltung des ­Außengeländes und späteren Einrichtung wurden insgesamt 780 000 Euro für das Vorhaben aufgewendet. Mit Abschluss der Renovierung war diese Summe voll gedeckt.

Küsterhaus ermöglicht Begegnung und Austausch im Dorf

Heute wird ein Raum des Hauses an die Kirchengemeinde vermietet und von dieser als Kontaktbüro genutzt. Dadurch konnte sich im Zuge des Neubaus eines Zentralbüros des pastoralen Raumes das alte Pfarrbüro von 70 Quadratmeter auf nun 20 Quadratmeter verkleinern. Ferner beherbergt das Küsterhaus einen gemütlichen Versammlungsraum in der ­Deele, einen Seminarraum, eine voll ausgestattete Küche, ein im Aufbau befindliches Dorfarchiv und eine viel genutzte Ferienwohnung mit vier Betten. Das Haus steckt heute voller Leben. Kirchliche und nicht kirchliche Gruppen und Vereine können es kostenlos nutzen. Durch Vermietungen der Ferienwohnung und anderer Räume an private Nutzer werden Einnahmen für den Betrieb des Hauses generiert.

Der betreibende Verein „Dorf aktiv“ führt selber im Haus viele Veranstaltungen durch und sorgt so für Begegnung und Austausch im Dorf. Gab es anfangs auch skeptische Stimmen bezüglich des ambitionierten Vorhabens, so sind diese inzwischen durchweg der Identifikation mit dem alten Haus und der neuen Nutzung gewichen. Mehr als 80 Personen engagieren sich auf unterschiedliche Weise ehrenamtlich in dem Verein, der fast 250 Mitglieder hat.

Das Küsterhaus war und ist zunehmend identitätsstiftend für das Dorf mit seinen 1 700 Einwohnern. „Es führt die Menschen des Dorfes zusammen, ermöglicht Begegnung und ist der Ankerpunkt für Engagement im Dorf“, sagt Ludger Vollenkemper. Etwas Besseres als diese Nutzung hätte dem Haus, dem Dorf und der Kirchengemeinde St. ­Vitus nicht passieren können.“

Waltraud Leskovsek

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