Jetzt sind die Bischöfe dran – Agnes Wuckelt im Interview

Frauen halten Schilder mit der Aufschrift (Auszüge) „Predigerinnen“, „Leben ist Vielfalt – Wir leben bunt!“ und „Licht ins Dunkel bringen – Jetzt“ am Infostand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) während der vierten Synodalversammlung am 8. September 2022 in Frankfurt, darunter Agnes Wuckelt (l.), stellvertretende Bundesvorsitzende der kfd, und Ulrike Göken-Huismann (m.), Mitglied im Bundesvorstand und Geistliche Leiterin der kfd. Vor ihnen steht Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Präsident des Synodalen Weges. (Foto: KNA)

Es stand Spitz auf Knopf am ersten Abend der Synodalversammlung, nachdem der Grundtext zur Sexualethik abgelehnt worden war. Am Freitagmorgen wurde über den Grundtext zu Frauen in Diensten und Ämtern abgestimmt, an dem Agnes Wuckelt maßgeblich mitgeschrieben hat. Mit Agnes Wuckelt sprach Claudia Auffenberg.

Frau Professorin Wuckelt, Ihr Dom-­Beitrag vor der Synodalversammlung endete mit der Zuversicht, dass der Synodale Weg ein offenes Zeitfenster für Veränderungen sei, durch das die Geistkraft Gottes wirken könne. Wo war die Geistkraft Gottes am Donnerstagabend, als der Weg kurz vorm Scheitern stand?

Agnes Wuckelt: „Tja, da war sie wohl ausgesperrt … Aber im Ernst: Ich denke, auch durch eine solche Erschütterung kann die Geistkraft Gottes wirken. Wenn alles so gerade eben durchgegangen wäre, hätte es die Debatte, die wir dann am Freitag hatten, nicht gegeben und die war sehr wichtig. Die hat uns überhaupt erst weitergebracht. Deswegen sehe ich schon ein Wirken der Geistkraft Gottes.“

Dennoch ist ein Text, der Ihnen persönlich wichtig war, abgelehnt worden.

Agnes Wuckelt: „Aber er ist nicht in der Schublade gelandet und wird mit nach Rom zum Ad-limina-­Besuch genommen.“

61 Prozent der Bischöfe haben für den Text gestimmt, 39 Prozent dagegen. Wenn man die, die sich enthalten oder gar nicht mitgestimmt haben, dazu rechnet, ist die Zustimmung noch geringer.

Agnes Wuckelt: „Das ist richtig, aber so ist die Satzung. Aber auch bei einer höheren Zustimmung gibt es Menschen, die sich enthalten oder nicht im Raum sind, wenn abgestimmt wird.“

Der Frauentext ist ja nicht weniger brisant als der Text zur Sexualethik. Warum haben die Bischöfe dem zugestimmt?

Agnes Wuckelt: „Hier haben wir als Antragskommission bischöfliche Voten, die vorab über „Antragsgrün“ eingereicht wurden, aufgenommen und die Passage zur Verbindlichkeit von ‚Ordinatio ­sacerdotalis‘ überarbeitet. Es geht darum, dass dieses Schreiben von Johannes Paul II., in dem er die Diskussion über die Weihe für Frauen endgültig für beendet erklärt, weltkirchlich nicht rezipiert ist, dass es weiter diskutiert werden muss und inhaltlich zu überprüfen ist. Dieser Passus stand in der Fassung, die wir eingebracht haben, nicht am Anfang des Textes. Die Diskussion in der Vollversammlung hat uns aber gezeigt, dass es sinnvoll ist, ihn nach vorne zu ziehen. Das war auch ein Wunsch aus der Klausur, in die sich die Bischöfe immer wieder zurückgezogen haben. Für uns in der Antragskommission war das kein Problem und das hat dann dazu geführt, dass auch die, die Bauchweh hatten, zustimmen konnten.“

Aber wo ist inhaltlich der Unterschied, wenn dieser Passus weiter vorne steht?

Agnes Wuckelt: „Indem wir ihn vorschalten signa­lisieren wir, dass ‚Ordinatio ­sacerdotalis‘ für viele – Bischöfe und Laien – nach wie vor eine verbindliche Kraft hat. Dennoch betrachten wir ihn unter dem Fokus ‚Geschlechtergerechtigkeit‘, dem ersten Wort des Beschlusstextes.“

Manchen Frauen geht der Text nicht weit genug.

Agnes Wuckelt: „Er geht – auch ohne die Änderungen – vielen nicht weit genug! Zum einen, weil er ein paar Jahrzehnte zu spät kommt und sich mittlerweile sehr viele, auch Frauen, verabschiedet haben. Sie haben überhaupt keine Hoffnung mehr, dass sich irgend­etwas in Sachen Geschlechtergerechtigkeit bewegt. Und manche stoßen sich am Wort Geschlechtergerechtigkeit: Es darf nicht nur um Frauen gehen, sagen sie, sondern um alle Geschlechter. Das ist auch unser Anliegen im Forum. Einige Passagen im Text machen das deutlich, aber der Auftrag war nun einmal Frauengerechtigkeit. Ich meine auch, dass alle Geschlechter etwas davon haben, wenn die Ämter für Frauen geöffnet werden. Und schließlich gibt es noch die Fraktion, die fragt, ob man überhaupt ein Priestertum braucht oder ob sich nicht die Strukturen dieser Kirche insgesamt verändern müssten. Aus deren Sicht schreibt der Text die vorhandene Struktur, die wir verändern wollen, eher fest.“

Was ist Ihre Position?

Agnes Wuckelt: „Persönlich teile ich eher die dritte. Zugleich vertrete ich die kfd-­Position: Frauen in alle Dienste und Ämter! Wir hoffen, dass sich der Einsatz der vergangenen Jahrzehnte auszahlen wird und nicht verloren ist.“

Der Text bittet die „höchste Autorität in der Kirche (Papst und Konzil)“, die Lehre von „Ordinatio ­sacerdotalis“ zu überprüfen. Es wird also weiterhin Geduld brauchen. Werden die Frauen die noch aufbringen?

Agnes Wuckelt: „Das ist die große Frage! Frauen, die vor 25 Jahren illegitim auf der Donau geweiht wurden, unterstützen den Text. Sie sagen einfach: Alle sakramentalen Ämter für Frauen. Punkt. Und ich bekomme viele Nachrichten von kfd-Frauen, die sich sehr freuen und motiviert fragen: Was machen wir nun weiter?“

Im Grunde ist man doch nicht weiter als zur Zeit der Würzburger Synode in den 1970er-­Jahren. Damals wurde Rom schon mal um Prüfung gebeten, allerdings ging es um das Diakonat für Frauen.

Agnes Wuckelt: „Und wir wissen, dass nun eine zweite Kommission immer noch prüft. Aber wir wissen heute auch, dass in anderen Ortskirchen der Welt ebenfalls gefragt wird, wie man die Situation von Frauen verbessern kann – und wie weitreichend. Das ist also ganz sicher ein Punkt, der auf die Tagesordnung der Welt­synode kommt. Bischof Bätzing hat zugesagt, dass auch dieses zum Ad-limina-­Besuch mitgenommen wird.“

Da der Zeitplan völlig aus den Fugen geraten war, ist der Text „Maßnahmen gegen den Missbrauch von Frauen“ zugunsten des Textes von Frauen in Präsenz und Leitung nicht mehr behandelt worden. Wäre das aber nicht der wichtigere Text gewesen?

Agnes Wuckelt: „Das sehen sicher viele so, aber das erweiterte Präsidium hat es anders entschieden. Eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz überarbeitet derzeit die Ordnungen zum Missbrauch. Dort hat man erkannt, dass der Blick geweitet werden muss auf Erwachsene und auf spirituellen/geistlichen Missbrauch. Wir haben Signale bekommen, dass wir mit unserem Text bei der Arbeitsgruppe offene Türen eingerannt haben. Dennoch ist es unbefriedigend, dass der Text nicht beraten worden ist. Das ist wirklich der Zeitnot zuzurechnen. Es war der Preis, den wir für eine bessere Diskussionskultur bezahlt haben. Die gab es ja immerhin. Und es ist noch offen, was insgesamt mit den weiteren Papieren jetzt passiert.“

Dennoch ist viel Vertrauen verloren gegangen. Wie kann es mit Blick darauf weitergehen?

Agnes Wuckelt: „Jetzt ist die Bischofskonferenz in ihrer nächsten Vollversammlung dran. Ich habe zu meinen Sitznachbarn, Weihbischof Wübbe und Weihbischof Würtz gesagt: ‚Ihr müsst jetzt aber wirklich miteinander reden und eine Kultur entwickeln, die unter euch Vertrauen schafft.‘ Dass es daran mangelt, wurde ja deutlich. Wir wussten relativ sicher, wie die Diözesanbischöfe abstimmen würden, wir wussten aber in keiner Weise, wie die Weihbischöfe abstimmen würden. Das wussten sogar viele Diözesanbischöfe nicht. Das macht es natürlich ganz schwer. Die Diskussion am Freitag hat mir geholfen zu sehen, wo die Weihbischöfe, die ja nun eine große Macht haben, wirklich stehen.

Wir haben unseren kfd-­Diözesanverbänden geraten, ihre Weihbischöfe aufzufordern, deutlich Stellung zu beziehen. Es gab genug Gelegenheiten, sich zu informieren. Unser Forum hat ein Hearing speziell für die Bischöfe angeboten. Von 68 waren 6 da. Das macht mich wirklich zornig und ich erwarte eine Würdigung unserer Arbeit. Das war doch keine Sklavinnenarbeit für die Bischöfe, damit die am Ende sagen können: ‚War gut‘ oder ‚War nicht gut, Mädchen‘. Es muss deutlich gesagt werden: Die Bischöfe wollten diesen Synodalen Weg und haben uns dazu gebeten und jetzt lassen sie uns in großen Teilen alleine arbeiten. Und brechen den Stab, wenn es ihnen nicht gefällt. Die Bischöfe sind also jetzt dran.“

Gibt es für Sie für die weitere Mitarbeit eine rote Linie?

Agnes Wuckelt: „Am Donnerstagabend war sie ziemlich nah. Mittlerweile sage ich: Weitermachen bis zum Schluss. Vielleicht mit noch weniger Naivität. Ich bin ehrlich: Zornig war ich an diesem Abend auch auf mich. Ich hatte einen unwahrscheinlichen Zorn auf die Bischöfe und auf mich, dass ich mir immer wieder eingeredet habe, die Bischöfe seien auf einem guten Weg. Und dann merkt man: Sie halten sich raus. Der Eichstätter Bischof beklagte allen Ernstes, zweimal im Jahr eine Minute reiche nicht, um sich auszutauschen. Damit hat er sich wirklich eine Blöße gegeben. Und für mich war das ein Schlag in die Magengrube.

Für einige Bischöfe erstreckt sich der Syno­dale Weg auf jährlich zwei Syno­dalversammlungen; sie beteiligen sich nicht einmal über ‚Antragsgrün‘ an der Diskussion. Manche Bischöfe mussten offen zugeben, dass sie nicht wissen, wie sie sich ins ­WLAN einwählen. Es tut mir leid, aber wenn mir der Synodale Weg ein echtes Anliegen ist, dann setze ich da alles hinein und dann lerne ich in Gottes Namen auch, mich im Internet zu bewegen. Wenn nicht, dann gibt es im Umfeld der Bischöfe sicher eine Person, die ihnen da helfen kann. Sie sind schließlich Führungskräfte!“

Wenn man trotzdem nach vorne schaut: Werden Sie in Ihrem Leben noch eine Priesterin erleben?

Agnes Wuckelt: „Wir erleben sie doch bereits. Wir sehen Frauen, die sich ohne Weihe haupt- oder ehrenamtlich in dieser Kirche engagieren, die Menschen begleiten in all den Aufgaben, die uns als Kirche gestellt sind. Auch in der Liturgie und der Predigt. Es gibt auch, worauf ja der ‚Berufsverband der ­Pastoralreferent­*­innen‘ hinweist, bereits viri probati, ‚bewährte Männer‘. Das bedeutet für mich auch weitermachen. Wir sehen: Es spricht theologisch nichts dagegen, es ist pastoral notwendig, also bringen wir uns einfach priesterlich ein. Von dort her wird zu fragen sein, inwieweit sich in zwei, drei Jahrzehnten unsere Kirche mit Blick auf das, was priesterlicher Dienst, priesterliches Amt meint, sowieso verändert hat. Ich setze auf Veränderung und ich bin hundertprozentig sicher, dass es vor allem Frauen sind, die diese Veränderungen vorantreiben.“

Weitere Berichte über den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland unter: derdom.de

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