„Heute Perspektiven schaffen“

Ukraine-­Krieg und Corona-­Pandemie: Im Mittelpunkt des „Tages des Landvolks“ in der Libori-Woche stand der politische Umgang mit den aktuellen Krisen und das verantwortungsvolle Handeln des Einzelnen.

Von Andreas Wiedenhaus

„Die Ukrai­ne kämpft auch für uns, für unsere Art zu leben!“, machte Dr. Johannes Hahn in seinem Festvortrag die Dimension des Krieges zwischen der Ukraine und Russland deutlich. Hahn ist EU-­Kommissar für Haushalt und Verwaltung und in dieser Funktion auch für die EU-Haushaltsmittel des Agrar­bereichs zuständig. „Dies ist auch ein Kampf zweier Gesellschaftssysteme!“, sagte er.

Das 21. Jahrhundert, so Hahn, sei geprägt von „Diktaturen mit Turbokapitalismus“ auf der einen und „Demokratien mit Marktwirtschaft“, wie sie die EU-­Staaten repräsentierten, auf der anderen Seite. „Wie geht es weiter mit dir, Europa? Mit dem Krieg ist alles anders“ – angesichts des Titels seiner Rede machte der EU-­Kommissar deutlich, wie groß die Fortschritte der EU in den letzten Jahren seien: „Früher wurde die Frage gestellt, ob Europa daran zerbricht. Heute steht die Frage im Vordergrund, wie managt Europa diese Krise?“

Jetzt seien die Stärken der EU gefordert, sagte Dr. Johannes Hahn in seiner Rede im Paderborner Schützenhof.

Foto: Andreas Wiedenhaus

Eine Krise, die aus zwei Bedrohungslagen besteht: dem Krieg gegen die Ukrai­ne und der Pandemie. Deshalb sei es wichtig, so der aus Österreich stammende EU-­Kommissar, das Europa den Blick nicht nur nach innen, sondern auch nach außen richte: „Wir müssen unsere aktuelle Stärke als weltweite Wirtschaftsmacht nutzen, um unsere Inte­ressen als EU abzusichern! „Denn die Schwellenländer holten auf: „Europa muss heute Perspektiven für seine Zukunft schaffen und sein politisches Kapital einsetzen.“ Es gelte, das Vertrauen und den Respekt, den Europa aktuell genieße, zu nutzen und speziell den Blick nach Südostasien zu richten. Und beim Blick auf den Ukraine-­Krieg müsse die Konsequenz lauten, die Ukrai­ne so lange zu unterstützen, wie es nötig sei.

Energielieferungen – nicht in die nächste Abhängigkeit geraten

„Wir müssen unsere Lektion lernen“, sagte Hahn angesichts der eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland. Grundlegend sei in der Energiepolitik, nicht eine Abhängigkeit durch die nächste zu ersetzen. Denkverbote dürfe es bei der Erschließung neuer Möglichkeiten nicht geben.

Und in einem Punkt ist Hahn sich sicher: „Wir werden unser Gas-Problem jedenfalls schneller gelöst haben, als Herr Putin neue Kunden für sein Gas gefunden hat.“ Wenn es einmal wieder Frieden gebe, dürften nicht alle Russen verantwortlich gemacht werden. „Das ist Putins Krieg“, sagte der EU-­Politiker. „Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Mit diesem Zitat von Konrad Adenauer beendete EU-­Kommissar Hahn seine Rede.

Wirklicher Friede erwachse aus einem guten Miteinander der Völker, Religionen und Gemeinschaften, so Erzbischof Hans-Josef Becker.

Foto: Ronald Pfaff/Erzbistum Paderborn

Wirklicher Friede erwachse aus einem guten Miteinander der Völker, Religionen und Gemeinschaften, erklärte Erzbischof Hans-­Josef Becker in seinem Grußwort. Er stellte weiter fest, dass der Vortrag zum Thema „Frieden in Europa“ und zu den Auswirkungen des Krieges sicher nicht nur ihm sehr nahe gegangen sei. Dass es letztlich auf dieses Miteinander ankomme, so Becker, lehre nicht zuletzt die Freundschaft zwischen Le Mans und Paderborn. „Der Friede kommt immer auch aus dem Respekt vor der Andersheit des Mitmenschen, die für uns im christlichen Glauben und Bild vom Menschen wurzelt. Die Gewalt der Worte aber, die zum Teil brutale Art und Weise, wie Menschen privat und öffentlich voneinander sprechen und miteinander umgehen, all dies führt unweigerlich auch zu einer Gewalt der Taten. Worte sind niemals einfach nur harmlos und ‘wohlfeil‘.“

Beginn mit Pontifikalamt im Dom

Foto: Ronald Pfaff/Erzbistum Paderborn

Begonnen hatte der „Tag des Landvolks“ zu Libori mit einem Pontifikal­amt im Dom. Der Blick auf Klima, Weltbevölkerung, Infrastrukturen und Energieversorgung sei kein absurdes Gedankenspiel oder Problem eines fiktiven Raumes, „sondern unseres in einer konkreten Region“, hatte Weihbischof Dr. Dominicus Meier OSB dabei auf dringliche Fragen der Zeit aufmerksam gemacht.

Die Weltlage fordere, so der Weihbischof, immer dringlicher auf, die eigene Wirtschaftsweise und das Konsumverhalten konsequent darauf auszurichten, dass die Ernährungssicherheit nicht gefährdet sei und Gottes Schöpfung nachhaltig bewahrt werde: weltweit und regional. „Dazu braucht es gute Verwalter; dazu braucht es Sie und Ihr Engagement für die Schöpfung Gottes; es braucht Sie und ihren solidarischen Blick auf die Gemeinschaft“, richtete sich Weihbischof Dominicus Meier an die Besucherinnen und Besucher des Landvolks.

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