Mitgliederschwund bei Kirchen erreicht neue Höchstwerte

Andreas Sturm über seinen Kirchenaustritt


Bonn (KNA). Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehört weniger als die Hälfte der Bundesbürger einer der beiden großen Kirchen an. Die katholische Kirche zählte im vergangenen Jahr 21.645.875 Mitglieder, wie aus der am Montag veröffentlichten Statistik der Deutschen Bischofskonferenz hervorgeht. Das entspricht rund 26 Prozent der Bevölkerung. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte bereits im März ihre Statistik veröffentlicht. Demnach zählte sie 19,72 Millionen Mitglieder, was einem Anteil von 23,5 Prozent entspricht. Gleichwohl bilden Christen in Deutschland weiterhin die mit Abstand größte Religionsgemeinschaft.

Mitgliederschwund – 359.338 Katholiken kehren ihrer Kirche den Rücken

Im vergangenen Jahr kehrten 359.338 Katholiken ihrer Kirche den Rücken. Damit wurde der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2019 deutlich übertroffen, als knapp 273.000 Katholiken austraten. Auch die EKD hatte Rekordwerte gemeldet. Im vergangenen Jahr traten demnach 280.000 Protestanten aus der Kirche aus.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte mit Blick auf die katholische Kirche, die Zahlen zeugten von einer tiefgreifenden Krise: „Es ist nichts schönzureden.“ Er sei „zutiefst erschüttert über die extrem hohe Zahl von Kirchenaustritten“. Mittlerweile vollzögen nicht nur Menschen den Austritt, die zu ihrer Pfarrei schon länger kaum Kontakt gehabt hätten: „Es mehren sich Rückmeldungen, dass Menschen diesen Schritt gehen, die bisher in den Pfarreien sehr engagiert waren.“

Allen dramatischen Entwicklungen zum Trotz wolle er für „das Plus von Kirche“ werben, sagte Bischof Bätzing. „Wenn man auf unsere katholischen Schulen, Kindergärten und theologischen Fakultäten schaut, wenn man auf die Seelsorge und Beratungsangebote in allen Lebensbereichen blickt, und wenn man das Engagement von Ordensleuten und – um ein anderes Beispiel zu nennen – die Jugendarbeit nicht aus den Augen verliert, zeigt sich: Es gibt viele gute Gründe, in der Kirche zu bleiben und sie mitzugestalten.“ Kirche vermittle Hoffnung, „besonders in bedrängenden Krisenzeiten“.

Kirchen-Statistik für das Erzbistum Paderborn

Rund 1,41 Millionen Menschen auf dem Gebiet des Erzbistums Paderborn sind katholisch – 32.691 Menschen weniger als im Vorjahr. Für den Rückgang der Kirchenmitglieder gibt es neben demographischen Entwicklungen und Wanderungsbewegungen in der Bevölkerung vielfältige Gründe. Kirchenaustritte sind dabei zwar insbesondere in den letzten Jahren ein wichtiger Faktor gewesen. Sie sind aber kein neues Phänomen und werden wohl auch weiterhin die kirchlichen Statistiken der kommenden Jahre deutlich mit beeinflussen. Gründe für den zahlenmäßigen Rückgang der Kirchenmitglieder liegen zudem in einer zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft, die zu einem gesamtgesellschaftlich zunehmenden Bedeutungsverlust von Religion und Kirche führt. 16.310 Menschen haben 2021 im Erzbistum Paderborn die katholische Kirche verlassen. Das sind 6.206 Austritte mehr als im Jahr davor. Insgesamt spielen bei den Zahlenangaben für das Jahr 2021 die Corona-Pandemie und ihre Folgen für das kirchliche Leben wie schon 2020 eine Rolle.

Stellungnahme von Generalvikar Alfons Hardt zur Kirchenstatistik 2021

„Wir dürfen uns jetzt nicht ablenken lassen und müssen unseren Weg weitergehen. Das sind wir den Menschen, Gott und seiner Schöpfung schuldig. Wieder einmal erhalten wir als katholische Kirche in Deutschland die Quittung für das, was wir noch nicht gut hingekriegt haben. Aber wir müssen jetzt dranbleiben, weiter unsere Arbeit machen und beweisen, dass wir als Glaubensgemeinschaft der Welt etwas zu geben und anzubieten haben. Das sind nicht wir selbst, sondern das ist das, wofür wir stehen: die Botschaft vom Reich Gottes, das aufrichtende und freimachende Evangelium Jesu Christi. Wir haben die richtigen Wege der Erneuerung und der Konzentration auf den Kern unseres Daseins und unseres Auftrags eingeschlagen. Die Welt braucht uns, es gibt viel zu tun, besonders jetzt in diesen Tagen und in der nächsten Zeit.

Allen, die sich von der Kirche abwenden, die skeptisch sind oder sich zurückziehen, sage ich: Bleibt! Habt Mut zu neuem Vertrauen! Es lohnt sich. Die Kirche und alle, die ihr in der Tat auf unterschiedliche Weise ein Gesicht geben, leisten viel, vor allem für andere. Es mag im Einzelnen unscheinbar wirken und wenig spektakulär. Aber es ist alles andere als unerheblich. In ihrem Dienst für Glaube, Hoffnung und Liebe trägt Kirche die Lasten des Lebens mit und setzt sich praktisch für eine lebendige Gemeinschaft des Glaubens ebenso wie für die Belange der Gesellschaft, für Neuanfänge, Gerechtigkeit und Frieden ein.

„In Gemeinschaft lebt es sich in der Regel besser als allein“

Wir sind da. Wir bleiben ansprechbar. Wir lassen niemanden allein. Ich bin sicher: In Gemeinschaft lebt es sich in der Regel besser als allein. Das ist wie im Erleben von Familie. Aus Familie kann man nicht austreten. Selbst in Distanz zu ihr bleibt die Prägung ihrer Grunderfahrung. So ist es auch mit der Kirche, wenn wir christlich geprägt, sozusagen als Mensch christlich programmiert sind. Damit ist je persönlich etwas grundgelegt, das hoffentlich weiter erfahrbar bleibt und zunehmend erfahrbar wird. Ganz gleich von welchem Standpunkt aus, wünsche ich allen die Erfahrung einer persönlichen Beziehung zu Gott, zu dem, was bedingungsloses Angenommen-Sein, Beziehung, Heimat, Schutz, Segen und Freiheit schenkt. Diese Erfahrung ist und bleibt entscheidend im Alltag des Lebens. Das sehe ich als keine Bitte an, sondern als ein Versprechen an alle Menschen, die unabhängig von ihrem Status von der Kirche in ihrem Leben begleitet werden wollen.“

Weitere Berichte zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn finden Sie in der aktuellen DOM-Ausgabe. Schauen Sie mal rein, es lohnt sich bestimmt.

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