26.09.2021

Briefwahl – Dinge ändern sich

Briefwahl und Veränderung von Kirche. (Foto: Glenn Carstens Peters / unsplash)

Wenn am Sonntag die Wahllokale schließen, dann wissen wir mutmaßlich noch nicht, wer demnächst ins Kanzleramt einzieht, wohl aber, wer die Wahl gewonnen hat. Eine Gewinnerin ist jetzt schon erkennbar: die Briefwahl. Die Kommunen melden Anträge in Rekordhöhe. Ein interessantes Phänomen.

Die Wahlen zum Deutschen Bundestag sollen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein. So steht es im Bundeswahlgesetz. Das sind hohe und zugleich für eine Demokratie existenzielle Anforderungen, die aber relativ einfach zu erfüllen sind. Die Bürgerin kommt am Wahltag ins Wahllokal, geht allein(!) in eine Wahlkabine, macht ihr Kreuzchen und wirft den Wahlzettel in einem verschlossenen Umschlag in eine versiegelte Urne. So ist zumindest dem Augenschein nach gewährleistet, dass sie selbst, dass sie frei und geheim wählt.

Weil man bei einer Briefwahl da nicht so sicher sein kann, ist sie gewissermaßen eine Wahl im außerordentlichen Ritus. 1957 wurde sie erstmals eingeführt. Bis 2008 musste man bei der Beantragung noch glaubhafte Gründe dafür angeben, warum man am Wahltag nicht persönlich im Wahllokal erscheinen kann. Die Abschaffung dieses Erfordernisses wurde erst 2013 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Karlsruher Richter folgten damals der Argumentation, nach der es „praktisch nutzlos“ ist, Gründe anzugeben, zumal kaum überprüft werden kann, ob sie stimmen. Und es sei wohl nicht zu „befürchten“, dass nun deutlich mehr Leute per Brief wählen.

Nun tun es mehr Leute und das, weil das Leben es erfordert, gut also, dass es möglich ist. Ob das Anlass zu Befürchtungen ist, wird man sehen. Umstände ändern sich, so ist das, und lassen sich durch Regeln nicht unbedingt aufhalten. Entscheidend ist die Grundidee, in unserem Fall eine demokratische Wahl zu sichern und allen wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern diese zu ermöglichen.

Gestalt von Kirche ändert sich ebenso wie die Briefwahl

Das Beispiel der Briefwahl zeigt: Nicht das Wie ist das Wichtigste, sondern das Wozu. Das gilt in vielen Bereichen des Lebens, vielleicht sogar in allen. Darüber müsste man noch mal nachdenken. Jedenfalls lautet die Frage, die Erzbischof Becker vor Jahren dem Erzbistum stellte, eben nicht: „Wie wollen wir in Zukunft Kirche sein?“, sondern: „Wozu?“. Die Gestalt der Kirche ändert sich, hat sich immer geändert und wird sich immer ändern. Wer versucht, sie zu retten, wird scheitern. Wir erleben es gerade. Ein Bischof bleibt im Amt, dafür gehen die Gläubigen und das in Scharen.

Aber der Auftrag für die Kirche bleibt. Er bleibt bestehen und er bleibt im Übrigen auch großartig. Ein Wort von Adolph Kolping fällt einem da ein und es ist sicher angemessen, diesen Text damit zu schließen. Denn am Sonntag wird nicht nur ein neuer Bundestag gewählt, das Erzbistum bekommt mit dem bisherigen Kolping-Bundespräses Josef Holtkotte einen neuen Weihbischof. Adolph Kolping also schrieb einmal: „Die Nöte der Zeit werden euch lehren, was zu tun ist.“

Ihre
Claudia Auffenberg

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