05.03.2021

Warum das einsame Sterben ein Ende haben muss

Gemeindereferentin und Trauerbegleiterin Hildegard Goclik bei der Trauerausstellung im November.
Fotos: Körtling

Hamm. Am 22. März ist der Beginn des ersten Lockdowns genau ein Jahr her. Seitdem ist das Leben aller Menschen stark beeinträchtigt. Doch nicht nur das Leben, auch der Tod, vielmehr das Abschiednehmen und die Trauerarbeit ist starken Beschränkungen unterworfen.

Unterschrift auch digital möglich

Deshalb hat der Bundesverband Trauerbegleitung (BVT) eine Petition gestartet: Mit dieser Unterschriftenliste sollen von der Bundeskanzlerin bis zu den Gesundheitsministern der Länder alle Entscheider dazu bewegt werden, ein gelingendes Sterben und Trauern auch in Zeiten der Pandemie zu ermöglichen. Die unterstützende Unterschrift kann übrigens auch ganz sicher digital geleistet werden.

Eine Mitstreiterin dieses Anliegens ist Gemeindereferentin Hildegard Goclik aus dem Pastoralverbund Hamm-Mitte-Westen: Die Religionspädagogin ist auch ausgebildete Trauerbegleiterin des BTV und engagiert sich bereits seit langer Zeit für diesen sensiblen Bereich des Lebens: „Trauer ist eine ganz individuelle Sache und sie unterscheidet sich immens“, so Goclik. Vom letzten Lebensabschnitt bis zum Tod und darüber hinaus, von Kindern bis zu Senioren– jeder trauere anders und oft fehle dabei die kompetente Hilfe, gerade aufgrund der jetzt geltenden Vorschriften.

So weist der Verband in seiner Petition auf viele Probleme hin; das beginne bereits mit der Begleitung der Kranken. „Viele Menschen, die eine lebensbedrohende oder -verkürzende Erkrankung haben, müssen die Untersuchungen und Arztgespräche alleine durchleben“, erklärt Hildegard Goclik. Dabei benötigten sie dringend eine vertraute Person an ihrer Seite. Die nötigen Kenntnisse und Informationen, wie so etwas sichergestellt werden könne, fehlten auf vielen Seiten. Das gelte für Ämter, Heime, Krankenhäuser und Angehörige gleichermaßen.

Trauernden fehlen die Begegnungen im Alltag

„Während Trauernde im Alltag oft in ihrem sozialen Netz aufgefangen werden, so ist da jetzt viel Leere“, weiß die Gemeindereferentin. Die starken Einschränkungen bei Beerdigungen und Trauerfeiern, die durch die unterschiedlichen regionalen Regelungen oft auch Profis wie die Bestatter an ihre Grenzen bringen, seien das eine. Es fehlten aber auch alltägliche Begegnungen und Umarmungen durch Angehörige und Freunde. Gespräche und Treffen seien vielfach aufgrund des Kontaktverbotes nicht möglich. Aus der eigenen Angst vor dem einsamen Sterben und der sozialen Isolation heraus entwickelten viele Trauernde sogar Scham und Schuldgefühle.

Befürchtete oder erlebte Stigmatisierung und Schuldzuweisungen verstören, und die ohnehin großen Ängste und Unsicherheiten in Zeiten der Pandemie verstärken das noch. Ein tiefer Verlust könne bei den Hinterbliebenen sowieso ernste Spätfolgen nach sich ziehen. Umso wichtiger sei die kompetente Trauerbegleitung und -beratung, wie sie jetzt durch den Bundesverband Trauerarbeit gefordert wird. In seiner Petition schreibt der BVT deshalb: „Der Tod eines nahen Angehörigen oder eng vertrauten Menschen stürzt die meisten Menschen in einen bisher nicht gekannten und stark belastenden Ausnahmezustand: Schlafstörungen, Antriebsschwäche, Appetitlosigkeit, depressive Stimmungen bis zu suizidalen Gedanken seien normale Reaktionen auf den Verlust.“

Ausstellung zu Tod und Trauer in Hamm

Deshalb müsse die Arbeit qualifizierter Trauerbegleiter gerade jetzt als systemrelevant eingestuft werden. Die vielen Erfahrungen seit dem ersten Lockdown bestätigen das für Goclik. Im November hatte sie noch mit dem Trauernetzwerk Hamm in der Liboriuskirche die BVT-Ausstellung „hoffnungsvoll& seelenschwer“ präsentiert und um lokale Details und Angebote ergänzt. Durch den zweiten Lockdown musste das umfassende Rahmenprogramm entfallen. Schließlich wurde sie zumindest als „offene Kirche“ umgesetzt und erfuhr– trotz des oft unbequemen Themas– großen Anklang.

Hoffnung auf viele Unterschriften im Internet

„Rund 200 Besucher kamen und in persönlichen Gesprächen erfuhr ich von den verschiedenen Herausforderungen, denen sich diese Menschen oft ohnmächtig gegenübersahen“, erinnert sich Hildegard Goclik. Das sei, zusätzlich zu den eigenen Erfahrungen, immer wieder sehr bewegend gewesen. Als im Januar die Petition gestartet wurde, war sie gleich engagiert. Die Forderungen sind ganz pragmatisch und sind in der Petition nachzulesen: So wird etwa der Zugang für Besucher in pflegerischen Einrichtungen zum Abschiednehmen sowie von qualifizierten Trauerbegleitern zur Unterstützung gefordert. Diese Möglichkeit soll auch für Wohngruppen gelten, in denen Menschen mit Beeinträchtigungen leben, die Unterstützung beim Trauern benötigen.

Dazu kommt die Forderung nach Unterstützung durch die Gesundheitsministerien, etwa bei der Organisation der dafür nötigen Ressourcen– ob Masken, Schnelltests oder der Einsatz von Freiwilligen für Testungen. „Die Unterschriftenliste ist mein ständiger Begleiter“, sagt Goclik. Leider könne sie wegen der Hygienemaßnahmen keine Listen in den Kirchen auslegen. Umso mehr hofft sie nun auf die Abstimmungsmöglichkeit im Internet. „Einmal rief mich eine ältere Dame an und sagte, dass sie mit dem Internet nicht zurechtkäme“, erinnert sich die Gemeindereferentin. Da sie aber unbedingt unterschreiben wollte, habe sie das– auf Distanz und mit frisch desinfiziertem Stift– ermöglicht.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Abstimmung gibt es unter: https://bv-trauerbegleitung.de/

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