„Die Grundtrauer ist immer noch da“

So kennen viele im Erzbistum Paderborn und darüber hinaus Ulrike Böhmer: Als Erna Schabiewski, einer engagierten Frau der Pfarrgemeinde, tritt sie oft bei kfd-Jubiläen und anderen kirchlichen Bezügen auf.
Foto: Auffenberg

Vor ein paar Wochen sorgte ein Buch für Aufsehen: „Weil Gott es so will“ (Der Dom berichtete). Darin erzählen 150 Frauen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin. Eigentlich hatte die Benediktinerin Sr. Philippa Rath OSB nur zwölf Frauen um einen solchen Text gebeten, weil sie sich über eine Bemerkung am Rande der Synodalversammlung im Januar vergangenen Jahres geärgert hatte. Von bischöflicher Seite hatte sie gehört, dass es in Wahrheit wohl nur sehr wenige berufene Frauen gebe, die Frauenfrage also nicht so relevant sei. Ihre Mail wurde weitergeleitet und so erreichten Sr. Philippa in kurzer Zeit über 150 Antworten. Viele berichteten zum ersten Mal von ihrer Berufung, eine davon ist Ulrike Böhmer, die viele im Erzbistum als Erna Schabiewski kennen.

Frau Böhmer, was bedeutet Ihnen die Kirche?

Ach du lieber Himmel …! Das ist eine schwere Frage. Nostalgisch betrachtet ist sie meine Heimat. Ich bin seit Kindertagen in Kirche beheimatet gewesen und das mit sehr positiven Erfahrungen. All das, was ich heute kritisiere, habe ich in meiner Kindheit und in meiner Jugend nicht erlebt. Damals konnte ich mich in der Kirche weiterentwickeln – persönlich, spirituell, aber auch politisch – durch die Jugendarbeit und die Eine-Welt- Bewegung. Auch die Teams, die Hauptamtlichen habe ich als Menschen erlebt, mit denen ich selbst reifen konnte. Heute gibt es die Kirche gar nicht mehr, aber es gibt Orte in Kirche, an denen ich mich wohlfühle, da ist Leben, da passiert was. Und es gibt Orte, an denen gar nichts passiert. Es gibt Orte, an denen ich spüre, dass Menschen unter dem System leiden, und es gibt Orte, wo ich denke: Hilfe, ist das konservativ hier. Mit dem System Kirche in der gegebenen Struktur tue ich mich schon sehr schwer. Da habe ich das Gefühl, die Kirche ist erstarrt und ängstlich und wenig kreativ. 

Und umgekehrt: Können Sie sagen, was Sie der Kirche bedeuten?

Als Kabarettistin bin ich für die, die mich einladen, ein Ventil oder ein Sprachrohr, weil ich auf der Bühne Dinge ausspreche, die sie auch bewegen. Ich bin ja auch noch immer Theologin und als solche bin ich für einige Menschen wichtig im Sinne von „Mit Ulrike können wir uns auf den Weg machen, da können wir etwas dazulernen und neue Horizonte erleben“. Aber für manche in der Kirche bin ich sicher auch sehr lästig. 

Sie schreiben in Ihrem Beitrag in dem Buch, dass Sie sehr gerne Priesterin geworden wären. Warum?

Jemand hat mir als Rückmeldung geschrieben: Du bist es doch! Als Gemeindereferentin habe ich Kindergottesdienste gestaltet, die Kinder kannten niemand anderes, für die war klar: Das ist Frau Pastorin. Die Kinder haben erlebt, dass ich ihnen in einem liturgischen Kontext etwas gegeben habe. Ich habe keine Berufungsgeschichte im engeren Sinne, aber ich habe gemerkt, dass ich da eine Gabe habe, dass ich Menschen berühren kann. Und dass ich das kann, hat mich gewissermaßen zurückberührt. 

Das konnten Sie doch als Gemeindereferentin. Was wäre der Mehrwert des Priesteramtes?

Als Gemeindereferentin habe ich immer wieder erlebt, dass ich, etwa in der Kommunionvorbereitung, die ganze Arbeit mache, ich eröffne den Kindern und ihren Eltern einen Horizont, aber das Sakramentale liegt dann beim Priester. Und das wird manchmal so lieblos heruntergefeiert, da schlägt man doch wirklich die Hände überm Kopf zusammen. Ich glaube, dass das zusammenkommen muss: Was ich in der Vorbereitung verkünde, was ich lebe, das mündet in diesem Sakrament, das ich dann auch feiere. Das war nicht möglich und das fehlte mir. Deswegen konnte ich nicht mehr Gemeindereferentin sein. Das hat mir aber rückblickend betrachtet ermöglicht, auf anderen Feldern zu säen. 

Auf welchen Feldern säen Sie? 

Ich mache Besinnungswochenenden für Frauen im KAB- Haus in Günne. Da kann ich Menschen in der ganzen Fülle begleiten, weil ich es gestalte. Zudem bin ich Leiterin eines Bibelkreises. Ich bin also weg vom Sakramentalen. Doch daneben gibt es so unendlich viele Orte, an denen Menschen erfahren können, dass Gott in ihrem Leben, in unserer Mitte ist. 

In der Kirche ist das Priesteramt mit Macht verbunden. Hätte Sie das auch interessiert?

Ja! Macht ist nichts Negatives. Wer die Macht hat, kann auch etwas machen. Es ist ja verrückt, dass die, die die Macht in der Kirche haben, oft nichts machen, sondern nur bewahren. Ich glaube allerdings schon, dass Macht auch mit einem selbst etwas macht. Deshalb ist es wichtig, dass man eingebunden ist, dass man kontrolliert wird. Man muss sich der Macht bewusst sein. Auf der Bühne habe ich auch Macht und dessen bin ich mir immer bewusst. Das muss man reflektieren, sonst manipuliert man krass. Das betrifft nicht nur die Kabarettbühne, sondern alle Bühnen des Lebens, auch die der Kirche. Frauen sind sicher nicht per se die Besseren, aber ich hätte schon die Hoffnung, dass sich ein anderes System etablieren könnte, wenn es Priesterinnen gäbe. Bislang ist zwar schon von Teams die Rede, das habe ich auch noch erlebt, aber am Ende hat doch einer das Sagen oder entscheidet spontan Dinge anders als im Team besprochen. 

Sie sind ja – wie viele Frauen – mit der Gewissheit aufgewachsen, dass Sie als Frau natürlich nicht Priesterin werden können. Wann und wie ist diese Akzeptanz in Empörung und in Trauer umgeschlagen?

Als ich in Münster Theologie studiert habe, ist dort meine Liebe zu allem, was mit Theologie, Religion, Spiritualität, dem Göttlichen zu tun hat, geweckt worden. Wenn es in meinem Leben eine Berufung oder einen Ruf oder eine Erkenntnis gab, dann war es dort. Das war eine so spannende Welt, da wollte ich bleiben. Aber dann kam die Frage: Was mach ich jetzt als Diplom- Theologin? Im Erzbistum Paderborn hätte ich mich damals gleich als Taxifahrerin melden können, weil es für Diplom- Theologen keine Stellen gab. So bin ich Gemeindereferentin geworden. Als ich das nicht mehr sein konnte, war das meine erste Trauerphase. Ich hatte zu oft erlebt, dass das, was ich hätte einbringen können, nicht gewollt ist, nicht einmal gesehen wird. Vielleicht ist es gesehen worden, aber dann hat man es schnell gedeckelt. Diese Grundtrauer ist immer noch da. Denn auch als Ehrenamtliche könnte ich mehr Dinge einbringen, die aber nicht gesehen werden. Und das geht ja nicht nur mir so.

Das ganze Interview gibt es im Dom Nr. 08/2021

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