Vom Anspruch der Kirche an sich selbst

Paderborn (-berg). Die Frage nach der Rolle der Frauen in der Kirche ist nun wirklich nicht neu, aber seit einiger Zeit höchst brisant. Es geht, so heißt es auch mit Blick auf den Synodalen Weg, um die Existenz der Kirche. Im Rahmen der Montagsakademie, einer offenen Vortragsreihe der Theologischen Fakultät Paderborn für das interessierte Volk Gottes, sprach jetzt Dr.Andrea Qualbrink, Referentin in der Stabstelle Strategie und Entwicklung im Bistum Essen. Sie forderte deutliche Reformen, denn die derzeitigen Strukturen der Kirche entsprächen nicht Leben und Lehre Jesu– und das gehöre gesagt.

Die Montagsakademie hat in diesem Wintersemester das Thema „Wege der Kirche in die Zukunft der Menschen“. Auf den ersten Blick ein irritierender Titel, geht es doch sonst in kirchlichen Diskussionen und Foren immer oder jedenfalls ziemlich häufig um die Zukunft der Kirche. Letztlich geht es hier auch darum, aber eben unter einer anderen Perspektive: Wie kann die Kirche Menschen auf ihrem jeweiligen Weg in die Zukunft begleiten? Dies zu tun, entspricht dem Selbstverständnis der Kirche. Sie sieht sich als Zeichen und Werkzeug der Liebe und des Heilswillen Gottes. So hat es das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution „Lumen Gentium“ formuliert. „Wie kommt die Kirche diesem Auftrag nach?“, fragte nun Andrea Qualbrink. „Entspricht die Kirche mit ihren Ämtern und Strukturen diesem Auftrag?“ Ihre Antwort dürfte nicht überraschen: Nein. Und das habe mit der Rolle zu tun, die Frauen in der Kirche spielen bzw. nicht spielen dürfen.

Die Essener Theologin führte aus, dass seit Jahrzehnten alle Argumente auf dem Tisch liegen, der Diskurs aber lange auch in akademischen Kreisen kaum geführt wurde. Das hatte mit lehramtlichen Äußerungen zu tun, zuletzt mit dem Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“, mit dem Papst Johannes Paul II. noch 1994 versuchte, mit größtmöglicher Autorität die Frage der Frauenordination endgültig zu beantworten. Dies ist nicht gelungen. Zwar hatten fortan Theologen und kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Angst und mussten um ihre Zukunft fürchten, wenn sie sich anders als der Papst äußerten, die Diskussionen gingen dennoch weiter und werden seit einiger Zeit laut und lauter. Die katholischen Frauenverbände blieben am Thema, zudem bildeten sich in den vergangenen Monaten Gruppen wie „Voices of Faith“ und „Maria 2.0“. Sogar einzelne Bischöfe fordern inzwischen, die Frage der Frauenordination müsse diskutiert werden. „Welche Rolle“, so fragte Qualbrink, „wird diesen Stimmen eingeräumt?“ Immerhin kennt die Theologie den Begriff des Sensus fidei, also den Glaubenssinn der Gläubigen. Gemeint ist eine Art Instinkt oder innere Stimme für das, was dem Evangelium entspricht. Dieser Glaubenssinn wird allen Gläubigen zugesprochen, nicht nur den Bischöfen. De facto aber zählen, so Qualbrink, „nicht Argumente, sondern wer mit welcher Geltung spricht“.

Seit Jahren und Jahrzehnten befasse sich das Lehramt in seinen Dokumenten mit dem Genius der Frau– und nicht des Mannes, ihr werden bestimmte Aufgaben zugeordnet. Auch ist von gleicher Würde die Rede, was aber nicht Gleichberechtigung bedeute, so Qualbrink. „Und das wird nicht als Diskriminierung verstanden, sondern als Ausfluss aus Gottes Plan.“

Auch für Qualbrink steht und fällt die Zukunft der Kirche mit der Frauenfrage. „In der Presse taucht bereits der Begriff ,Kernschmelze‘ auf und inzwischen gehen viele Menschen, gerade weil ihnen die Kirche etwas bedeutet, aber die Botschaft nicht mehr rüberkommt.“ Sie hoffe für die Kirche, dass sie sich stören lasse: „Gott stört, er stürzt die Mächtigen vom Thron.“ Es gehe um die Glaubwürdigkeit der Kirche, weil es um die Zukunft der Menschen gehe. Deswegen brauche es dringend Reformen. „Wenn es nach dem Synodalen Weg hier keine gravierenden Änderungen gibt, dann ist er gescheitert“, sagte sie. Sie persönlich sei allerdings entschieden optimistisch. „Ich traue den Diskursen etwas zu.“

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