20.12.2019

Vater – Mutter – Kind

Vater – Mutter – Kind. Foto: Maas

Jesus wuchs in einer Familie auf, der nichts Menschliches fremd war.

von Marc Retterath

Meine beste Freundin aus der Kindergartenzeit hieß Petra und sie hatte ein Lieblingsspiel: Vater-Mutter-Kind. Sie wollte natürlich immer die Mutter sein. Ich war in der Regel der Vater. Und für die noch fehlende Rolle des Kindes musste dann noch jemand gefunden werden, was sehr schwierig war, weil die anderen auch Vater oder Mutter spielen wollten. Eigentlich nur allzu verständlich, denn Sohn oder Tochter waren sie ja schon im wirklichen Leben. Der Reiz des Spieles lag ja hauptsächlich darin, einmal in eine andere Rolle zu schlüpfen. So dauerte es oft lange, bis die Familie mit wenigstens einem Kind komplett war. An mehrere Kinder war, aus besagten Gründen, nicht zu denken.

Petra jedenfalls blühte als Mutter auf und sorgte sich rührend um ihr Kind. Alles musste harmonisch verlaufen, und wenn es mal zwischen Vater und Mutter Streit gab, sagte sie zur mir: „Es ist schon spät, du musst zur Arbeit!“ Der „väterliche Arbeitsplatz“ war die andere Ecke des Gruppenraumes, wo die Werkbank mit dem Kinder-Handwerkskasten stand.

Petras Ziel war das Idealbild einer heilen Familie. Eine heile Familie, die sie zu Hause nicht hatte, was ich aber erst viel später realisieren konnte.

Gut erinnere ich mich noch daran, wie dann kurz vor Weihnachten die Krippe aufgebaut wurde und die Kindergartenleiterin zu uns sagte: „Guckt mal, das sind auch Vater-Mutter-­Kind: Josef, Maria und das Baby Jesus.“ Petras Augen leuchteten.

Josef, Maria und Jesus, die Heilige Familie, so bezeichnet sie die Liturgie. War sie aber auch eine heile Familie? Die idyllischen Darstellungen der Krippe, die heimelige Atmosphäre von Weihnachten legen dies nahe.

Die Realität – und die Bibel beschönigt da nichts – sah leider gänzlich anders aus. Angefangen mit der Problematik, dass Josef nicht der leibliche Vater war, verlief auch die Geburt alles andere als reibungslos. Anstatt behütet und um­sorgt von der Großfamilie ihr Kind zu bekommen, musste Maria in einem Stall, in einer Art Höhle, außerhalb der Stadt ihren Sohn zur Welt bringen. Eigentlich grenzt es schon an ein Wunder, dass Mutter und Kind das überhaupt überlebt haben.

Und bald danach schon die nächste Herausforderung, von der unser Evangelium berichtet: Die Todesdrohung gegen Jesus, die überstürzte Flucht nach Ägypten. Doch dabei blieb es nicht; als Maria Jesus in den Tempel brachte, prophezeite ihr der greise Simeon: „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen.“ Und das war nicht übertrieben, denn was musste Maria nicht alles erleiden! Das Verlorengehen des zwölfjährigen Jesus im Tempel, die schroffe Anrede durch ihren Sohn bei der Hochzeit zu Kana (Was willst du von mir, Frau?) und dann, als absoluter Tiefpunkt, sein Leiden und sein Tod am Kreuz. Maria erlebte und erlitt beides hautnah mit, wurde zur Mater Dolorosa, zur Schmerzensmutter.

Gott hat Maria, Josef und Jesus, der Heiligen Familie, sehr viel zugemutet. Jesus war ganz Gott, aber eben auch ganz Mensch. Er war den Widrigkeiten des Menschseins ganz und gar ausgesetzt. Näher konnte Gott uns, den Menschen, nicht kommen.

Im Tagesgebet zum Fest der Heiligen Familie heißt es: Herr, unser Gott, in der Heiligen Familie hast du uns ein leuchtendes Vorbild geschenkt. Ein Vorbild, das Leid und die Herausforderungen des Lebens zu ertragen. Als Maria mutig ihr Ja zu Gottes Plan gab, konnte sie überhaupt nicht absehen, was das letztendlich bedeuten würde. Doch sie hat durchgehalten und ist an ihrem Schicksal nicht zerbrochen. Ihr fester Glaube, dass Gott am Ende alles noch zum Guten wendet, ist nicht enttäuscht worden.

Zum Autor:

Pastor Dr. Marc Retterath ist Kirchenanwalt und Ehebandverteidiger am Erzbischöflichen Offizialat Paderborn und Seelsorger im Pastoralen Raum An Egge und Lippe.

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