07.12.2016

„Was wollt ihr sehen?“

„Was habt ihr sehen wollen?“ fragt Jesus die Menschen, mit denen er über Johannes den Täufer redet. Foto: dpa

In einer von großen Verunsicherungen und Veränderungen geprägten Zeit wächst die Sehnsucht nach einem Messias, der Freiheit und Frieden bringt.

von Manfred Pollmeier

Am Orientierungstag meines Pastoralverbundes waren die Gläubigen nach der heiligen Messe aufgerufen, Themen für die Zukunft auf einem Plakat festzuhalten. Unter der Überschrift „Liturgie“ wurde der Wunsch geäußert, mehr Gottesdienste mit Andersgläubigen zu feiern, auch mit Muslimen. Ich kann das Anliegen sehr gut verstehen. Geht es doch um Sehnsucht nach gemeinsamem Frieden in unserer so unsicheren Welt, aber auch um Gemeinschaft mit Menschen, denen Glaube und Gott nicht gleichgültig sind.

Die zentrale Frage der Jünger Johannes des Täufers im Sonntagsevangelium lenkt unseren Blick auf die Sehnsucht vieler Menschen von damals nach einem Retter, einem Messias. „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ Erwartet hatte er einen mächtigen Gesandten von Gott, der Gottes Herrschaft zum Recht verhelfen soll. Das werde, so hatte Johannes selbst angekündigt, nicht ohne Schwierigkeiten verlaufen. Da würden klare Trennungslinien gezogen. Aber nun beansprucht Jesus, dieser Messias zu sein.

Das Gericht fand nicht statt. Keine Axt wurde an die Wurzel der Bäume gelegt und keine Spreu verbrannte im Feuer. Die Fragen des Täufers ähneln ebenfalls den Fragen mancher Menschen unserer Zeit: Ist Jesus wirklich Gottes Sohn, auf dessen zweite Ankunft wir schon so lange warten oder ist es am Ende gleich, ob wir an Jesus glauben oder sonst wen? Das Wichtigste ist doch, dass wir Gutes tun, beten und Fremde respektieren.

Es gibt immer weniger Menschen, die Berührungen mit der Kirche haben. Die Sonntagsgottesdienste werden hier in unserer Region von weniger als 10 Prozent besucht. Manche verlieren durch die Umstrukturierungen ihre gottesdienstliche Heimat, weil die Sonntagsmesse verlegt wurde oder unregelmäßig stattfindet. Das Wissen um den christlichen Glauben lässt nach. Und die Unsicherheit mit den Veränderungen der kirchlichen Umstrukturierungen wächst. Vieles ist nicht mehr wie früher. Und so mancher sagt, das sei nur der Anfang. Große Zweifel machen sich breit.

Damals wie heute fällt die Antwort Jesu unerwartet aus. Der Herr verweist auf seine göttliche Sendung. „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf …(vgl. Mt 11,5). Die Botschaft ist eindeutig: Wer sich auf Jesus einlässt, der wird sein Leben verändern müssen, auf das Heil hin. Und diese Botschaft ist an alle Menschen gerichtet. Keiner soll vergessen werden! Ausdrücklich heißt es: „Den Armen wird das Evangelium verkündet.“

Der Täufer sitzt im Gefängnis. Seine Situation ist bedrohlich. Dennoch lässt ihn die Frage nach dem wahren Messias nicht los. Er hält das Anderssein Gottes aus. In der Adventszeit bereiten wir uns auf sein Kommen vor. Das Kind, das uns geschenkt wird, ist eine Zumutung, weil ein Kind die Verhältnisse nicht mit Macht verändert. Das Gebet der Christen um Frieden und der Glaube an den christlichen Gott beinhalten darum immer auch das geduldige Warten und die Bereitschaft zur Umkehr. Unter dieser Vo­raussetzung und in dieser Hinsicht macht ein gemeinsamer Gottesdienst mit Andersgläubigen Sinn. Denn am Ende, so hoffen wir, ist es Jesus, der wiederkommen wird, um uns an seinem Tisch Platz nehmen zu lassen. Johannes, der selbst ein Grenzgänger war, verweist an einer anderen biblischen Stelle auf diesen Jesus. Denn zu ihm gibt es keine Alternative.

Manfred Pollmeier ist Pfarrer in Bad Oeynhausen und Leiter des Pastoralen Raumes Werre-­Weser.

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