08.01.2016

Aus dem Pfarrhaus in den Dschungel

Im Gespräch über Gott und die Welt: Petr Rehak, Gunter Gabriel und Regina Beissel diskutierten nach dem Konzert mit den Besuchern. Foto: Jonas

Bielefeld. Es klingelt an der Tür des Pfarrhauses in Schildesche. Gemeindereferentin Regina Beissel öffnet die Tür. „Guten Abend, herzlich willkommen.“ Die Namen der Gäste hakt sie auf einer Liste ab.

50 Menschen werden es an diesem Abend. Sie kommen, um die Country- und Schlagerlegende Gunter Gabriel im kleinen Kreis zu hören und mit ihm ins Gespräch zu kommen – buchstäblich über Gott und die Welt. Das Hauskonzert ist Teil eines innovativen pastoralen Projektes mit dem Namen „gast+haus“.

„Ich bin auf der Suche nach dem Glauben“, bekennt Gunter Gabriel kurz vor seinem Konzert im Pfarrhaus. „Den richtigen Zugang habe ich aber noch nicht gefunden.“ Berührungspunkte habe er aber viele. So habe sich eine Freundin bekehrt und in Berlin im Wannsee taufen lassen. „Jetzt will sie mich aus meinem Sumpf ziehen.“ 25 Jahre lang sei er mit dem Countrysänger-Ehepaar Johnny Cash und June Carter befreundet gewesen. „Die waren richtig gläubig“, sagt er und erzählt von einer Essenseinladung. „Die gebratenen Hähnchen standen schon auf dem Tisch und ich hatte richtig Schmacht. Da fängt June Carter an zu beten und hört und hört nicht mehr auf, bestimmt eine halbe Stunde“, sagt Gabriel und lacht. „Das werde ich nie vergessen.“ Zehn Tage vor dem Tod von Johnny Cash war er wieder zu Besuch, weil er ein Album mit Cash-Liedern auf Deutsch aufnehmen wollte, und blätterte durch dessen Bibel. „Da war auf jeder Seite etwas unterstrichen. Das hat mich sehr beeindruckt.“

In Schildesche wird Gunter Gabriel begeistert empfangen. Auch langjährige Fans sind dabei, etwa Ralf und Angelika Krischker aus Brake, die schon bei rund 30 Konzerten von ihm waren. „Er ist intelligent, bibelfest und interessiert“, sagen sie über den 73-Jährigen Sänger. Der zeigt keinerlei Star­allüren, ist sofort mit jedermann beim Du. Seine Hits, wie „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“ kommen gut an.

Neben Gitarrist Petr Rehak, der vorher für Karel Gott spielte, hat Gabriel auch die Gospelsängerin Debra Harris aus Colorado mitgebracht. Mit Liedern wie „Amazing Grace“ oder „He´s got the whole world“ bringt sie spirituellen Tiefgang in das Konzert. Spontan holt Gabriel dann auch Pastor Herbert Bittis auf die Bühne zu einem gelungenen Duett.

Berührt sind die Gäste an diesem Abend auch von der entwaffnenden Offenheit Gunter Gabriels. Er berichtet aus seinem Leben, von seinen vier gescheiterten Ehen, zahlreichen Freundinnen, seiner Unfähigkeit, feste Beziehungen einzugehen. „Ein Psychologe sagte mir, das läge an meiner Kindheit“, erzählt er. Von seinem kriegstraumatisierten Vater sei er häufig verprügelt worden, seine Mutter erhängte sich, als er vier Jahre alt war. „Ich habe mich in die Musik geflüchtet.“ Und damit ist er in den 70er und 80er Jahren sehr erfolgreich. Als er 2007 wegen Steuerschulden pleite ist, hält er in einer Talkshow seine Telefonnummer in die Kamera und bietet sich für Wohnzimmerkonzerte an, die bis heute laufen und ihn finanziell sanieren. Einen letzten Karriereschub erhofft er sich nun vom RTL-Dschungelcamp, an dem er – zum Entsetzen seiner Kinder – ab dem 15. Januar teilnimmt. „Das ist Trash. Sowas gucke ich nicht“, sagt er selbst, hat sich von seinen Beratern aber zur Teilnahme raten lassen. „Ich habe mich spontan entschlossen, so eine Vorlage kriege ich nie wieder“, sagt Gunter Gabriel und verspricht am Ende unter dem Jubel der Besucher: „Nach dem Dschungel komme ich wieder her.“

„Seine direkte Art hat mir sehr imponiert“, zieht Pastor Bittis ein positives Fazit des Abends. Dem schließt sich auch der stellvertretende Generalvikar Thomas Dornseifer an: „Ein sehr gelungener Abend. Die Ehrlichkeit Gunter Gabriels ist wirklich beeindruckend.“

Markus Jonas

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