Zukünftige Erinnerung
Foto: Petra Bork / Pixelio
In der Nachbarschaft gibt es einen 100. Geburtstag zu feiern. Frage an das Geburtstagskind: „Was ist Ihre älteste Erinnerung?“ Die Dame muss gar nicht lange nachdenken: „Das war, als ich zur Kommunion gegangen bin. Da haben wir zu Hause Strom bekommen.“
von Claudia Auffenberg
Meine Güte, denkt man, da sitzt wirklich ein langes Leben vor dir. Später grübelt man noch immer über die Antwort. Was von den beiden war nun die prägende Erinnerung, wieso sind sie so miteinander verknüpft? Die Antwortgeberin kann man nicht mehr fragen, sie ist vier Wochen nach ihrem Geburtstag zu Hause eingeschlafen und im Himmel wieder aufgewacht.
Woran werden sich die Kommunionkinder des Jahres 2019 dereinst erinnern? Wird die Erstkommunion überhaupt noch eine Rolle spielen? Gibt es ein Ereignis, eine Entwicklung, die das Jahr 2019 herausragen lässt, das ihrem Leben eine bedeutende Wende, einen bedeutenden Fortschritt gegeben hat? Dass es etwas Technisches sein könnte, kann man sich nicht mehr vorstellen, zumindest gefühlt ist ja alles erfunden, was der Mensch zum Leben braucht. Aber genau betrachtet, hat die Erinnerung der Hundertjährigen nur zum Teil mit Technik zu tun, dafür mit einer anderen Sache, die der Mensch womöglich viel mehr zum Leben braucht: Beziehungen. Strom bekommen heißt, an ein Netz angeschlossen zu sein. Und die Feier des Weißen Sonntags bedeutet, dass man nun zur Mahlgemeinschaft der Kirche gehört.
Und so wünscht man den Kommunionkindern des Jahres 2019 an diesem Dreifaltigkeitssonntag, der ja auch etwas mit Beziehung zu tun hat, diese Erfahrung: dass sie angeschlossen sind an ein Netz, kein asoziales Netz, sondern eines, das sie wirklich trägt. Dass sie dazugehören, weil sie geliebt sind, nicht weil sie gut oder besser sind als andere. Dass es in dieser Welt einen Platz für sie gibt, an den sie gehören und an den sie jederzeit zurückkehren dürfen. Und falls die Vorbereitung und die Feier der Erstkommunion in ihnen die Ahnung gesät hat, dass sie diesen Platz in der Nähe Gottes finden können, wäre das wunderbar. Vielleicht könnte irgendjemand in etwa 90 Jahren mal nachfragen?