25.04.2019

Trau dich zu glauben!

Betroffen schauen Passanten am Ufer der Seine hinüber zur brennenden Kathedrale Notre-Dame. Dinge mit eigenen Augen sehen wollen – bis heute ein Antrieb der Menschen. Foto: KNA

Glaube hat immer mit dem Risiko zu tun, das dem Vertrauen innewohnt.

von Matthias Micheel

Nach dem Tod seiner Ehefrau soll der Dichter Theodor Storm immer wieder ausgerufen haben: „Wenn ich doch glauben könnte!“ Mit Constanze hatte er seine ganz große Liebe verloren. Und er sehnte sich zeitlebens nach den Tröstungen des Glaubens. Doch den Glauben an die Auferstehung hielt er selbst für eine Fata Morgana.

Wie können wir leben, wenn der Glaube unsicher geworden ist? Wenn Zweifel das Leben bestimmen und die Welt angesichts der zahllosen Katastrophen und Absurditäten kalt und leer erscheint? „Ich werde mich bis in den Tod hinein weigern, die Schöpfung zu lieben, in der Kinder gemartert werden“, sagte einmal der Philosoph Albert Camus. Und diese Erfahrung ließ und lässt bis heute viele von uns an der Güte und Allmacht des Schöpfers zweifeln.

Immer wieder haben auch glaubende Menschen Anfechtungen und Zweifel durchlitten. Mutter Teresa ist ein gutes Beispiel dafür. Manchmal können solche Menschen sich dann besonders gut in diejenigen hineinversetzen, die selbst nicht (mehr) glauben und vertrauen können. Oder in die Menschen, bei denen vielleicht schon in der Kindheit Christentum und Kirche keine Rolle mehr spielten und die sich angesichts von Scheitern, Leid und Tod trotzdem und besonders nach Liebe, Sinn und Tiefe sehnen.

Auch die verängstigten und verzweifelten Jünger waren irdische und wirkliche Menschen wie du und ich, keine weltlosen Lichtgestalten. Und nicht nur Thomas war in der Bibel ein Zweifler. Thomas steht für die beiden Möglichkeiten, die wir angesichts der Welt, so wie sie nun einmal ist, haben: an einen letzten Sinn zu glauben und vertrauensvoll quasi „alles auf eine Karte“, auf Jesus Christus, zu setzen oder aber zu resignieren und uns dem blinden Los einer Lottomaschine zu überantworten.

Und Jesus? Jesus kommt durch die verschlossene Tür unseres Kleinmuts zu uns. Er kennt unsere Zweifel, die ganze Trägheit und Zögerlichkeit. Und er spricht zu uns wie damals zu den Jüngern in einfachen, leisen und ruhigen Worten. Er ruft uns zurück in das Leben: Trau dich zu glauben! Ich gehe mit dir durch deine Dunkelheiten und Ängste hindurch und trage dich. Das ist ein Geheimnis, dem wir uns nur anvertrauen können. Gott lässt sich nicht beweisen. Der Glaube bleibt immer auch ein Geschenk. Aber wir können darauf vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint. Dass das Leben Sinn macht – trotz der Gräben und Wunden überall. Dass es gut weitergehen wird und dass die Vollendung noch vor uns liegt. Im Vertrauen auf Gott können wir unser Leben meistern und Berge versetzen.

Und vielleicht steckt ja auch ein klein wenig von dieser Hoffnung in den Worten des Sängers Herbert Grönemeyer, wenn er sagt: „Zweifel nicht / Jeder Berg lässt sich bewegen / Gib nie auf / Sei bereit fürs große Glück.“

Zum Autor:

Matthias Micheel ist Persönlicher Referent von Erzbischof Hans-Josef Becker.

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