Scharfe Kritik an Abschiebung
Muntari Adam war gut integriert, dann wurde er abgeschoben. Aus Angst vor Verfolgung möchte er sein Gesicht nicht zeigen. Foto: Ev. Kirchengemeinde
Blomberg-Cappel (jon). An Heiligabend im Jahr 2002 geschah das Unvorstellbare: Die gesamte Familie von Muntari Adam wurde ermordet. Daraufhin floh er aus seinem Heimatland Ghana. Nach einer jahrelangen Odyssee durch Libyen und Italien fand er in Blomberg-Cappel eine neue Heimat. Wegen psychischer und körperlicher Erkrankungen entschied die Härtefallkommission des Landes NRW, ihm ein Hierbleiben zu ermöglichen. Doch der Kreis Lippe schob ihn im November dennoch nach Ghana ab. „Skandalös“ finden das nicht nur der evangelische Kirchenkreis Lippe, sondern auch viele Katholiken.
Mit einer Unterschriftenaktion versucht die evangelische Kirchengemeinde Cappel derzeit möglichst viele Menschen zu gewinnen, die sich dafür aussprechen, Muntari Adam nach Blomberg zurückzuholen. Zahlreiche Menschen aus dem Kreis Lippe haben schon unterschrieben. Auch die katholischen Kirchengemeinden Heilig Kreuz und St.Marien in Detmold haben Unterschriften gesammelt. Sie fordern die zuständigen Entscheidungsträger auf, „unverzüglich alle notwendigen Schritte für eine schnelle Rückkehr von Muntari Adam nach Blomberg zu unternehmen“. „Es ist toll, wie viele sich für ihn einsetzen“, sagt Iris Beverung, Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Cappel-Istrup, wo Muntari Adam zu Hause war. Besonders freut sie die Unterstützung auch der katholischen Gemeinden. „Das ist wirklich ein gutes Miteinander.“
Völlig überraschend
Am 21.November war der 34-jährige Muntari Adam nach Ghana abgeschoben worden. Völlig überraschend wurde er am frühen Morgen durch die Ausländerbehörde des Kreises Lippe abgeholt. Die Abschiebung sei ohne Ankündigung und entgegen eines positiven Votums der Härtefallkommission erfolgt, kritisiert der evangelische Kirchenkreis. Die Härtefallkommission hatte sich im Frühjahr 2019 aufgrund des tragischen Einzelfalles und der individuellen Härte für ein Bleiberecht ausgesprochen. Warum der Kreis Lippe entschied, dies zu ignorieren, kann Pfarrerin Beverung nicht nachvollziehen. „Er war gut integriert und hatte eine Perspektive“, sagt sie. Die Entscheidung sei „echt bitter und menschenverachtend“, zumal Muntari Adam aufgrund traumatischer Erfahrungen eine psychosoziale Tagesbetreuung besuchte.
Landessuperintendent Dietmar Arends zeigt sich immer noch erschüttert: „Diese Abschiebung lässt einen fassungslos zurück. Bei einem Menschen, der offensichtlich krank ist, der in dem Land, aus dem er vor 17 Jahren geflohen ist, keine Perspektive hat, dessen gesamte Familie dort ums Leben kam, und der in Lippe inzwischen über ein ganzes Netz von Beziehungen verfügt, kann man doch nur fragen: Warum?“
Sorgen um Muntari
Pfarrerin Iris Beverung, die mit ihm telefoniert hat, macht sich Sorgen um Muntari. Er hat kein Geld, die Krankheit hat sich verschlechtert und er sieht ohne seine ermordete Familie in einem Land, das ihm fremd geworden ist, keine Zukunft. Aus der Ferne versuche die Kirchengemeinde gemeinsam mit dem Kirchenkreis irgendwie zu helfen.
Muntari Adam wurde abgeschoben in ein Land, aus dem er als 19-Jähriger geflohen war. Unmittelbar zuvor war seine gesamte Familie in einem lokalen Krieg in Nordghana an Heiligabend 2002 ermordet worden. Danach lebte er neun Jahre in Libyen, bis er dort in den Bürgerkrieg und die Bombardierungen geriet und von Milizen unter Gewaltandrohung nach Italien gebracht wurde. Seit fünfeinhalb Jahren schließlich lebte er in Deutschland.