Haltet Euch bereit!
Haltet auch ihr euch bereit! Foto: dpa
Von Gott können wir lernen, was es heißt, einen langen Atem zu haben.
von Martin Assauer
Auf meinem Schreibtisch liegt ein Buch, ein Geschenk eines priesterlichen Freundes zu meinem silbernen Priesterjubiläum in diesem Jahr. Titel: Mit langem Atem, Verfasser ist der inzwischen emeritierte Bischof und Kardinal von Mainz, Karl Lehmann. Es ist ein ausführliches Interview mit dem ehemaligen ZDF-Intendanten Markus Schächter, eine Art Lebensbilanz eines geschätzten Theologen und Priesters. Und dieser Titel war auch der Wunsch zu meinem Jubiläum: Den langen Atem haben.
Ich stutze und erschrecke fast: Den langen Atem haben? Geht das in einer Zeit, die ich immer atemloser erlebe? Die ihr ganzes Interesse – scheinbar – darauf setzt, dass alles sofort und gleich erfahrbar, erlebbar und möglich ist. Die sich keine Ruhe mehr gönnen kann, erst recht keinen langen Atem? Ich habe noch das Erleben des Amoklaufes von München vor Augen: die Nachrichten überschlagen sich fast, jeder weiß irgendwas Neues zu berichten, die Fernsehkanäle und auch die Menschen stehen unter ungeheurer Spannung. Ohne den Schrecken zu verharmlosen: Der entfachte Medienhype dort hat leider eher zur Vertiefung des Schreckens und zur zunehmenden Hysterie beigetragen als zur sachlichen Information.
Den langen Atem haben! Es ist nun mal so: Wenn ich etwas genauer und damit wohl auch richtiger wissen und erfassen will, brauche ich Geduld, den langen Atem eben. Mag sein, dass die Mediengesetze, zumindest zum Teil, anders funktionieren. Das zeigt auch manche Talkshow. Aber erst die Vertiefung versachlicht die Debatte.
„Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten“, heißt es im Evangelium dieses Sonntags. Warten und Geduld haben: Mir scheint – mal wieder – Jesus weiß um unsere innere Unruhe, unser Getriebensein. Und er verordnet uns etwas zugleich Einfaches wie Schwieriges: Den langen Atem.
Den langen Atem haben: Mit den Menschen, mit denen ich unterwegs bin, denen ich begegne. Nur so werde ich ihnen wirklich gerecht. Nur so können sich auch Begegnungen und Beziehungen wirklich vertiefen. Nur so werden sie zu einer Quelle gegenseitiger Achtung und Annahme. Den langen Atem auch und gerade mit den Flüchtlingen und Migranten haben. Die vielen Helfer können uns da einiges erzählen.
Den langen Atem haben mit mir selbst: eine mindestens genauso schwere Übung. Ich ertappe mich selbst dabei, wenn manches nicht so funktioniert, wie ich es gerne hätte. Aber der lange Atem macht mich dann doch am Ende auch barmherziger gegenüber mir selbst und all meinen Fehlern und Schwächen.
Und dann natürlich den langen Atem haben gegenüber Gott: Der gibt sich nicht in Oberflächlichkeit zu erkennen. Manchmal braucht es vielleicht den langen Atem eines Lebens, um ihn zu erkennen. Aber müsste es an dieser Stelle nicht umgekehrt heißen: Der lange Atem Gottes mit uns? Ganz sicher gilt auch das: Sein langer Atem ist unsere Hoffnung. Sein langer Atem heißt nach Worten von Papst Franziskus Barmherzigkeit. Und ist sein langer Atem nicht im Letzten der belebende Strom des Heiligen Geistes, der uns ganz erfüllt?
Den langen Atem haben: Das ist nicht nur der Wunsch an einen Priester nach 25 Jahren im Dienst: Das ist Wunsch und Auftrag Christi an einen jeden von uns. Und wenn ich an dieser Stelle noch einmal an Kardinal Lehmann denke: Er wird gewiss auch deshalb so geschätzt, weil er in seinen vielen verschiedenen Aufgaben immer den langen Atem hatte.
Zum Autor: Pfr. Martin Assauer ist Leiter des Pastoralverbundes Hemer.