14.02.2020

Die Geretteten sind da

Spannender Moment: Behutsam befreit der Restaurator die Skulpturen von ihrer „Verpackung“.

Paderborn (-berg). Seine Eminenz ist auf der Rückseite etwas schmutzig. Schimmel, Staub, Farbspritzer. Na ja, kein Wunder. Der Kardinal hat jahrzehntelang in vier Meter Höhe an der Wand gehangen, in der St.-Lambertus-Kirche im niederländischen Wouw. Jetzt steht er, einer der großen Gelehrten des 17.Jahrhunderts, in einem Paderborner Restaurationsbetrieb und wird– im Wortsinne– herausgeputzt.

Die Figur des Kardinal Giovanni Bona ist eine Arbeit des flämischen Bildhauers Ludovicus Willemssens und natürlich hat diese Geschichte schon mit der großen Rubens-Ausstellung zu tun, die Ende Mai im Diözesanmuseum eröffnet wird. Die ersten Figuren also sind da, die Presse ist eingeladen, sie aus der Nähe zu betrachten.

Figuren wurden vergraben

In Bonas Fall schiebt sich noch eine ganz andere Geschichte nach vorn, gerade in diesem Jahr, wo es so viele Anlässe gibt, sich des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. Vor 76 Jahren wurde die Figur des Kardinals und über 30 weitere herausragende Skulpturen des flämischen Barocks vor den deutschen Truppen versteckt, heute nun werden fünf von deutscher Hand gereinigt und– wo nötig– ausgebessert. „Wir sind sehr stolz, die Figuren hier zeigen zu können“, sagt Wim Brooijmans vom Kirchenvorstand in Wouw. Er hat die Figuren auf ihrem Transport nach Paderborn begleitet und natürlich freut er sich, dass sie jetzt erst einmal von einem Restaurator bearbeitet werden. „Wir bekommen sie besser zurück, als wir sie gebracht haben“, sagt er ein bisschen verschmitzt und spricht von einer Win-win-Situation.

Das Chorgestühl, in dem der Kardinal und die anderen Figuren früher standen, ist im Krieg verbrannt, es war einst das bedeutendste Chorgestühl der südlichen Niederlande. Fotos aus der Zeit zeigen eine zerstörte Kirche. Eigentlich ist es mehr ein Trümmerhaufen.

Solche Fotos gibt es auch vom Paderborner Dom. Beim Angriff auf die Paderborner Kathedrale am 17. Januar 1945 sind ebenfalls etliche Kunstwerke zerstört worden, darunter auch ein Ölgemälde des Antonius Willemssens, einem Bruder Ludovicus’. Sechs Jahre haben die beiden in Paderborn gearbeitet und sind dann zurück in ihre Heimat gegangen, dorthin, wo Peter Paul Rubens den Barock etabliert und zugleich neu interpretiert hatte.

Rubens, der Rückkehrer

Auch Rubens übrigens war ein Rückkehrer. Nach Jahren in Rom eilte er nach Antwerpen zurück, als seine Mutter schwer erkrankt war. Von Flandern aus inspirierte er die Kunst seiner Zeit, er wurde einer der bedeutendsten Maler des flämischen Barock und war schon zu Lebzeiten ein Star. „Ohne Rubens hätte es das alles nicht gegeben“, sagt Prof.Christoph Stiegemann, Leiter des Diözesanmuseums und zeigt auf die Figuren vor ihm.

Rubens wird Stiegemanns letzte große Ausstellung in diesem Amt sein und in gewisser Weise schließt sich für ihn ein Kreis. In den 1980er-Jahren, so erinnert er sich, wurde er einmal in den Keller des damaligen Dompropstes Hans-Leo Drewes gebeten. Dort lagerten kleine Schnipsel, Überreste jenes Bildes von Antonius Willemssens. Beim Luftangriff 1945 wurde es in Fetzen zerrissen. Zur Rubens-Ausstellung wird es gewissermaßen wieder auferstehen, die moderne Technik macht es möglich. 

Nationale Egoismen bringen Zerstörung, grenzübergreifende Zusammenarbeit bringt Heil und Fortschritt. Auf diese schlichte Formel könnte man bringen, was die Rubens-Ausstellung demnächst zeigen wird. Es geht also nicht nur um „alte Schinken“, sondern auch darum, was sie uns bis heute zu sagen haben und welche Wege sie mit uns gehen.

 

 

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