Bewegende Hungertuch-Ausstellung
Auch das historische Hungertuch aus St.Agnes stieß, aus historischen wie lokalen Gründen, auf großes Interesse. Fotos: Körtling
Hamm. Eine ganz besondere Ausstellung begleitet Gläubige und Interessierte in der Liboriuskirche durch die Fastenzeit: Dort wird die alte Tradition der Hungertücher aufgegriffen. Mit 22 Exemplaren der MISEREROR-Hungertuch-Aktion sowie einem prächtigen Exemplar aus der St.-Agnes-Kirche in Hamm-Mitte, das 1938 entstanden ist, wird ebenso auf den spirituellen Hintergrund wie auf aktuelle Probleme in aller Welt verwiesen.
Pfarrer Matthias Bruders und Diakon Martin Güttner gaben in einer besonderen Eucharistiefeier den „Startschuss“ für die besondere Ausstellung: Güttner, der die Idee zu dieser Ausstellung zum 44-jährigen Bestehen der MISEREOR-Hungertuch-Aktion hatte, hielt die Predigt. Dabei ging er besonders auf das vom Künstler Jacques Chery gestaltete Hungertuch „Haiti“ aus dem Jahr 1982/83 ein. Sowohl die bildlich-offensichtliche Darstellung, in der Jesus an den Baum des Lebens geheftet ist, wie den damaligen Hintergrund erklärte er dabei genau.
Die Symbolik von Jesus am Lebensbaum mache klar, dass so der neue Adam, der neue Mensch geschaffen werde, erläuterte Güttner. Darüber sieht man gut gekleidete Leute beim Lernen, Adam und Eva einig mit den verschiedensten Tieren und glückliche Leute an einer reich gedeckten Tafel. Dieser hoffnungsvollen Vision stehen aber zwei tiefere Ebenen voller Probleme gegenüber: Das Tragische sei dabei, dass die Verweise auf die Probleme des Inselstaates heute mindestens genauso aktuell seien wie bei der Entstehung des Hungertuches: Gerade nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2010, mit mehr als 230 000 Toten, trete das deutlich zutage. Haiti zählt nach wie vor zu einem der ärmsten Länder der Welt, die Regierung und staatliche Institutionen zeichnen sich durch Unfähigkeit und Korruption aus.
Jesus als Hoffnung
Die internationale Hilfe hätte die Möglichkeit gehabt, nachhaltig etwas zum Wohl der Menschen zu verändern. Doch habe auch sie kläglich versagt: Während rund drei Milliarden an Hilfsgeldern in dunkle Kanäle geflossen seien, würde die überall wuchernde Bandenkriminalität immer stärker. Es seien schon Schulen geschlossen worden, da selbst der Schulweg für die Kinder nicht mehr sicher genug sei. Insgesamt entwickele sich in dem Land alles zunehmend zu einem Bürgerkrieg, da die Regierung alle Gespräche verweigere und die Forderungen nach einem Regierungsrücktritt immer lauter werden.
Am Fuß des Lebensbaumes werden ebenfalls die finsteren Seiten des haitianischen Lebens aufgezeigt, die heute wie eine Mahnung, gerade auch für den Klimaschutz wirken: Die Menschen strömen in Masse aus dem Wasser auf kleine Inseln, wo Panzer stehen und über denen Militärflugzeuge kreisen. Ein Boot hat viele panische Menschen geladen und so wird überdeutlich, dass der Mensch der größte Feind des Menschen und der Natur sein kann.
Die Bischöfe Haitis hatten bereits vor sechs Monaten vor den Auswirkungen der Gier der Führungsclique und der allgegenwärtigen Korruption gewarnt. Inzwischen werden sogar Missionsstationen und andere kirchliche Einrichtungen, die der Versorgung der Bevölkerung dienen, Ziel von Raubüberfällen und Plünderungen.
Das fromme, hoffnungsvolle des Haiti-Hungertuches bliebe aber ebenfalls ungebrochen: So sind dort Samenkörner abgebildet, als Hoffnungszeichen auf eine andere Welt. Auch der Baum, an dem Jesus ist, trägt große Früchte– das beschreibt, dass alles durch „ihn“ möglich sei. Zutiefst berührt blieben die Gläubigen nach der Eucharistiefeier da und nahmen dieses sowie alle anderen Hungertücher intensiv in Augenschein.
Info
Messen und Ausstellung
Jeden Mittwoch um 18.00 Uhr ist ein weiterer Gottesdienst, bei dem ein anderes Hungertuch im Mittelpunkt steht. Am 1.April findet dann die letzte Feier in der Liboriuskirche, Jupiterstraße1, statt. Zudem ist die Liboriuskirche mit der Ausstellung jeden Fastensonntag von 15.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.