09.09.2022

Friedensort in Marsberg – Ein Mahnmal für Zivilcourage

Der Waldfriedhof am Ortsrand von Marsberg als Gedenkstätte ist ein Ort gegen das Vergessen und für Frieden und Freiheit. (Fotos: Patrick Kleibold)

Friedensorte sind Leuchttürme für das friedensstiftende Engagement unserer Gesellschaft. Ein Waldfriedhof am Ortsrand von Marsberg als Gedenkstätte gegen das Vergessen und für Frieden und Freiheit ist ein solcher Friedensort.

Am Ortsrand von Marsberg in der Nähe des Dütlingstals stoßen Wanderer auf einen Waldfriedhof mit bewegender Geschichte. Im Nationalsozialismus wurde eine Abteilung des St.-Johannes-­Stiftes, Vorgänger des LWL-­Klinikums Marsberg, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie des LWL-­Wohnverbundes Marsberg zu einer „Kinderfachabteilung“ des „Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“. In den folgenden Monaten wurden dort etwa 50 Kinder und Jugendliche durch die überdosierte Gabe von Medikamenten gezielt betäubt und getötet. Dazu kamen regimetreue Schwestern, die sogenannten „braunen Schwestern“, von Berlin nach Marsberg. Wegen Unruhen in der Bevölkerung wurde 1941 die „Fachabteilung“ in Marsberg geschlossen und nach Dortmund-­Aplerbeck verlegt.

Ein Symbol für Zivil­courage

Friedensort Marsberg

Ursula Witteler-­Cornelius vom pädagogisch-­psychologischen Fachdienst des LWL-­Wohn­verbundes Marsberg sagt: „Dieser Ort ist aufgrund der Unruhen auch ein Symbol für Zivil­courage. Die Menschen vor Ort sind aufgestanden und haben dem Nazi-­Regime widersprochen, ohne zu wissen, wie die Konsequenzen aussahen. Das ist ein Beispiel dafür, dass jeder Einzelne etwas bewirken kann.“ Der Anstaltsfriedhof gehört zu den ganz wenigen Gedenkstätten mit erhaltenen Gräbern.

Der Waldfriedhof samt einer Kunstinstallation schlummert im Dornröschenschlaf. Ein drei mal drei Meter großes schwarzes Quadrat aus acht Zentimeter starkem Stahlrohr umrahmt und betont den Eingang zum Friedhof. Er trägt die Inschrift: „Hier und da, 1940–2004“. Die von der Bildhauerin Astrid Raimann gestaltete Installation ist im Sinne von Konzeptkunst keine Arbeit, die als Kunstwerk für sich steht, sondern findet ihren Sinn in der Wirkung, die sie auf die Wahrnehmung der Besucher ausübt. Die Aufmerksamkeit wird auf den Moment des Übergangs gelenkt. Man durchschreitet die Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Lebenden und Toten, Gesunden und Kranken, „Normalen“ und „Verrückten“, denen, die dazugehören, und den „Lebensunwerten“, wie es damals hieß.

„Wir brauchen Orte des Erinnerns und Gedenkens“

Gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern wie der Technischen Hochschule Ostwestfalen-­Lippe, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem Rotary Club Brilon-­Marsberg sind die LWL-­Einrichtungen Marsberg dabei, den Friedhof etwas umzugestalten und wieder mehr ins kollektive Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken. „In unabwägbaren Zeiten ist Zivil­courage unser höchstes Gut“, sagt Brigitte Tuschen, Leiterin der Tagesstruktur/Beschäftigung im Wohnverbund. „Wir brauchen Orte des Erinnerns und Gedenkens, um uns immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind.“

Julia Hollwedel

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