04.08.2022

So geht heilig

Bild: Gerd Altmann/pixabay

In Ihrem aktuellen Editorial sucht Claudia Auffenberg Gründe für die Verehrung des Heiligen Liborius und von Mutter Anna. Über beide ist nichts historisches bekannt, doch sie böten „Raum für die ganz großen Sehnsüchte des Menschen“.

Man vergisst es leicht, daher sei an dieser Stelle einmal daran erinnert: Kirchenlieder haben nicht nur eine Melodie, sondern zudem noch einen Text. Das gilt natürlich auch für die Lieder, die man zur Verehrung unseres Bistumspatrons, des heiligen Liborius, singt. In den vergangenen Tagen war ausreichend Gelegenheit, die schönen alten Libori-­Lieder – fast hätte man Schlager geschrieben – also die schönen alten Libori-­Lieder zu schmettern, die im Gotteslob ab Nr. 840 stehen.

Über Liborius und Mutter Anna ist praktisch nichts bekannt

Die Texte, mit denen sich die singenden Beterinnen und Beter an Liborius wenden, sind insofern interessant, als dass man über ihn praktisch nichts weiß. Ähnliches gilt für Mutter Anna, Jesu Oma mütterlicherseits, die sich sogar weltweit großer Beliebtheit erfreut. Beide haben, wenn man das mal so sagen darf, erst posthum Karriere gemacht – und werden heute mit großem Pomp verehrt. Aber wofür eigentlich? Denn anders als bei Adolph Kolping oder Edith Stein etwa gibt es nichts Konkretes, das verlässlich überliefert wäre.

„Diese Unkonkretheit bedeutet ja auch Offenheit und Weite“

Aber vielleicht ist es das gerade: Diese Unkonkretheit bedeutet ja auch Offenheit und Weite. Wenn man die Liedtexte zum heiligen Liborius oder zur Mutter Anna liest, fällt auf, dass es um sehr grundsätzliche Themen geht: Frieden und Versöhnung, Heil an Leib und Seele, Geborgenheit und Solidarität. Das sind die Dinge, die wir von den beiden erbitten. Es sind Dinge, die sich wohl jede und jeder für ein gelungenes Leben wünscht. Wir alle – oder jedenfalls viele von uns – haben eine Vorstellung davon, was ein gelungenes Leben braucht und was nicht. Und selbst denen, die es nicht wissen, möchte man zutrauen, dass sie es irgendwann mal gewusst haben und dass irgendwas mit ihnen geschehen ist, das dieses Wissen verschüttet hat.

Raum für die ganz großen Sehnsüchte

Liborius und Mutter Anna bieten Raum für diese ganz großen Sehnsüchte des Menschen. Und zugleich bieten sie Raum für die Fähigkeiten des Menschen, diese Sehnsüchte umzusetzen, sie zu leben. Denn Frieden und Versöhnung, Heil an Leib und Seele, Geborgenheit und Solidarität, das alles sind ja keine Hirngespinste, das alles gibt es auf dieser Welt. Sehnsucht und Erfahrung speisen sich hier womöglich gegenseitig.

Die beiden jedenfalls dürften im Himmel reichlich erstaunt sein, was die Menschen aus dem Andenken an sie gemacht haben. Und vielleicht raunt Mutter Anna dem heiligen Liborius zu: „Guck mal, sie erfüllen den Auftrag Gottes ,Seid heilig, denn ich, euer Gott, bin heilig‘ doch ganz gut.“

Ihre

Claudia Auffenberg

Weitere Berichte zur katholischen Kirche finden Sie in der aktuellen DOM-Ausgabe. Schauen Sie mal rein, es lohnt sich bestimmt.

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