07.08.2020

Komische Fragen …

Claudia Auffenberg

In diesen verstörenden Zeiten kommen einem komische Fragen. Zum Beispiel: Warum eigentlich ist Jesus nicht aus der Kirche ausgetreten? Nun könnte man leichthin darauf verweisen, dass er ja gar nicht in der Kirche war und dass man aus dem Judentum auch nicht austreten konnte. Klar, aber man fragt ja nicht nach historischen Fakten, sondern auf einer anderen Ebene: Warum hat er nicht einfach sein Leben als frommer Jude verbracht, statt sich wieder und wieder bis zum bitteren Ende mit den Pharisäern zu streiten? Und diese Streitereien, die die Evangelien ja überliefern, sind nun alles andere als gegenseitiges Bewerfen mit Wattebäuschen. Also warum?

Mit Wattebäuschen werfen

Man kann nur spekulieren, aber das ist ja manchmal auch ganz interessant. Vielleicht würde er sagen, er  habe in diesem Judentum etwas gefunden, was es anderswo nicht gibt: Gott, genauer gesagt, den Gott, der die Freundschaft zum Menschen sucht, der die Menschen nicht regulieren und in Schach halten will, sondern der Möglichkeiten für ein gelingendes Leben anbietet. Übrigens, das fällt einem gerade ein, warum dieser Gott nicht längst aus der Menschheit ausgetreten ist, darüber könnte man auch mal nachdenken.

Leben geordnet

Diesen Gott also habe das Judentum ihn gelehrt, so würde Jesus vielleicht sagen – und zwar mit seinen Traditionen, Liturgien und den grandiosen Verheißungen vom Frieden unter den Menschen und mit der Schöpfung, mit seinen Texten, in denen er seine eigenen Sehnsüchte wiedergefunden habe. Und vielleicht würde Jesus auch sagen, das Judentum habe ihn das Nachdenken über Gott gelehrt, auch über ihn zu sprechen und erst recht natürlich mit ihm. Und es habe mit all den Geboten sein Leben in gewisser Weise geordnet, nicht reglementiert, was etwas ganz anderes ist. So sei sein Leben keine unüberschaubare Ebene gewesen, auf der man sich hätte verlaufen können, sondern er habe Wegweiser und Orientierungsmarken gehabt. Und Menschen zur Seite, mit denen er sprechen und streiten und beten konnte. So habe ihn das Judentum dazu angeregt und angespornt, über sein Leben rückblickend und vorausblickend nachzusinnen und Entscheidungen zu treffen. Das habe ihm das Judentum nicht abgenommen.

Von Gott reden

Und er habe erkannt, so würde er vielleicht antworten, dass die Welt eine Institution braucht, die von Gott redet, und dass die Welt diese umso mehr braucht, je mehr sich die Mächtigen als Götter aufspielen. Dass aber so eine Institution es gefälligst glaubwürdig tun muss. Und die Institution natürlich immer wieder in der Gefahr steht, selbst vom Weg abzukommen, und dass man deswegen mit ihr und vor allem in ihr streiten muss. Also, würde er vielleicht zusammenfassen, dieses Judentum hat mich mit meinem Vater im Himmel bekannt gemacht, und dies müsse – ja, genau: müsse (!)– man auch den kommenden Generationen ermöglichen. 

Wie gesagt, das ist alles Spekulation. Wir wissen nicht, wie er antworten würde, aber so ungefähr könnte man sich das vorstellen. Oder?

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