05.12.2019

Hochfest der Menschenwürde

Hochfest der Menschenwürde

Es gibt Kirchenfeste, denen nähert man sich aufgrund ihres Namens ein bisschen vorsichtig. „Unbefleckte Empfängnis“ ist so eins. Offiziell heißt es „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“.

von Claudia Auffenberg

Gleich zu Beginn sei klargestellt: Es geht zunächst nicht um Jesus und, nein, auch nicht um Sex, sondern um die Erbsünde bzw. um die Befreiung Marias von selbiger. Das klingt nach alten katholischen Hüten aus dem 19. Jahrhundert, die man längst abgelegt wähnt, aber so ist es nicht. Fangen wir vorn an, ganz vorn: Bei Adam und Eva hätte alles so schön sein können, wenn nicht die Sache mit den verbotenen Früchten gewesen wäre. Natürlich ist der Sündenfall keine Historie, sondern der Versuch, eine Erklärung dafür zu finden, wa­rum der Mensch so ist, wie er ist. Warum gerät man immer wieder in Streit, warum zerbrechen Beziehungen, warum gibt es Kriege? Das Böse kam in die Welt, so erzählen es die Verfasser der Genesis, durch den Ungehorsam gegen Gott. Diese Bürde lastet auf dem Menschen, von Geburt an ist er verstrickt in diese Mechanismen. Dies ist nun leider eine historische und sogar aktuelle Wirklichkeit, nur mal ein Stichwort: Klimawandel. Durch die Taufe wird der Mensch von dieser Erbsünde erlöst, man könnte sagen, er soll sich von diesen Verstrickungen nicht fertigmachen lassen.

Maria, die Mutter Jesu, ist die gottgewollte Ausnahme: Sie ist vom ersten Moment ihrer Existenz an von dieser Erbsünde befreit und „voll der Gnade“. Dies ist zusammengefasst der Inhalt des Dogmas, das Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854 nach Rücksprache mit den Bischöfen verkündete. Dass Maria dies zukommt, hat natürlich mit ihrer Erwählung zu tun, den Sohn Gottes zu gebären.

Das Fest ist älter als das Dogma. Erste Wurzeln finden sich in der ostkirchlichen Liturgie bereits im 8. Jahrhundert, in der lateinischen Kirche im 9. Jahrhundert. Offiziell eingeführt wurde es 1476 und 1708 für die ganze Kirche vorgeschrieben. Das Datum, 8. Dezember, liegt neun Monate vor dem deutlich älteren Fest, von dem es sich ableitet: Mariä Geburt wird bereits seit dem 6. Jahrhundert gefeiert und zwar am 8. September. In diesem Jahr – 2019 – fällt der 8. Dezember auf einen Sonntag. Wenn dies geschieht, verschiebt sich das Fest auf den darauffolgenden Montag.

Aber wie lässt sich dieses Fest nun heutzutage verstehen, in einer Zeit, in der sich kaum noch jemand in einer geschlossenen und in sich logischen katholischen Welt bewegt? Die Kirche deutet es sozusagen als das Hochfest der Menschenwürde. Maria, dem jüdischen Mädchen aus Nazareth, wendet sich Gott in aller Herrlichkeit zu. „Maria ist uns so nah wie kein anderer Mensch“, hat Papst Benedikt XVI. einmal zu diesem Fest gepredigt. Sie sei ein Beispiel dafür, dass ein Mensch, der sich freiwillig Gott anvertraue, keine Marionette werde, sondern im Gegenteil die wahre Freiheit finde: „Je näher der Mensch bei Gott ist, desto näher kommt er auch den Menschen.“

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