08.11.2019

Wachhalten der Sehnsucht

Gedanken zu Lk 20,27-38

Die Sehnsucht nach einem „Leben in Fülle“ hilft uns, irdische Grenzen zu überschreiten.

von Sebastian Schulz

Das Frohlocken im Himmel fällt dem Engel Aloisius sichtlich schwer. Er sitzt auf seiner Wolke, die Harfe in der Hand, und ruft schroff in bayrischer Mundart: „Halleluja sog i, Halleluja!!!“

Vielleicht kennen Sie die satirische Geschichte „Der Münchner im Himmel“ von Ludwig Thoma. Alois Hingerl, Dienstmann Nr. 172 auf dem Münchner Hauptbahnhof, erledigt einen Auftrag derart hastig, dass er vom Schlag getroffen zu Boden fällt und stirbt. Zwei Engel schleppen ihn in den Himmel, wo er den Namen „Engel Aloisius“ bekommt. Ihm werden eine Harfe und eine Wolke zugeteilt. Gemäß „himmlischer Hausordnung“ soll er nach einem festen Terminplan „frohlocken“ und „Hosianna“ singen. Doch aus Mangel an Bier und Schnupftabak sowie einem ersten frustrierenden Erlebnis im Himmel, schimpft er auf seiner Wolke vor sich hin. Gott schickt ihn schließlich mit einem Spezialauftrag zurück zur Erde: Er soll der bayerischen Regierung göttliche Ratschläge übermitteln.

Unterhaltsam ist diese Geschichte – ohne Frage. Theologisch gesehen macht sie aber einen Fehler: Sie kopiert unsere irdischen Verhältnisse und Bedürfnisse und überträgt sie 1 : 1 auf die himmlische Wirklichkeit. Nicht verwunderlich, dass dem Engel Aloisius sein auf Erden liebgewonnenes Maß Bier fehlt …

Eine „himmlische Kopie“ der irdischen Gesetzmäßigkeiten kann man auch im Sonntagsevangelium finden. Da fragen die Sadduzäer Jesus: „Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein?“ Zuvor hatten sie ihm das Fallbeispiel einer Frau erzählt, die gleich sieben Mal zur Witwe wird. Immer dann, wenn ihr Ehemann stirbt, heiratet sie dessen Bruder. Am Ende war sie die Ehefrau von sieben Brüdern.

Jesus durchbricht das Gedankenkonstrukt, das die Sadduzäer vorgeben. Er macht in seiner Antwort deutlich: Unser menschliches Denken und unsere Logik sind begrenzt auf das irdische Leben. Was danach kommt, wird anders sein. Das gilt auch für die gemachten zwischenmenschlichen Beziehungen. Da wir nur das „irdische Leben“ kennen, können wir uns das „himmlische, das ewige Leben“ nicht vorstellen. Wo es keinen Tod mehr gibt, da fallen auch Zeugung, Geburt, Heirat weg. Wie das sein wird? Wir haben dafür keine Vergleiche.

Genauso verhält es sich mit dieser Frage: Wie soll denn ein Leib auferstehen, der längst in der Erde vermodert, im Meer aufgelöst oder im Feuer verbrannt ist? – Sicherlich „ganz anders“, als wir es uns jemals vorstellen oder ausmalen könnten. Die Auferstehung der Toten können wir nur glauben, empirische Beweise gibt es dafür nicht. Was es gibt sind hoffnungsvolle Worte Jesu: „Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden, denn für ihn leben sie alle.“

Weil wir nicht über das Irdische hinausblicken können, macht uns der Tod rat- und hilflos. Gott ist der Schöpfer von allem. Der Tod gehört zum Heilsplan eines jeden Menschen dazu. Gott selbst ist das Leben. Er macht lebendig und schenkt „schlussendlich“ das Leben, das kein Ende mehr kennt.

Das heutige Evangelium will jeden persönlich herausfordern: Vertraust du darauf, dass Gott dich auferwecken wird? Glaubst du, dass es gut werden wird – wie auch immer es aussehen mag? Kannst du dich auf das „ganz andere“ einlassen?

Versuchen wir, immer wieder neu die Sehnsucht nach dem Göttlichen, Himmlischen, nach dem „Leben in Fülle“ wachzuhalten und wachsen zu lassen. – Sie wird das Leben auf Erden gewiss bereichern. Wer das spürt und erlebt, kann heute schon „frohlocken“!

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