08.06.2018

Der Clown und Jesus

Kann man ihm glauben? Will man hören, was er zu sagen hat? Foto: nanihta/photocase

Verstanden werden, war schon zu Jesu Zeiten eine große Herausforderung – und ist es bis heute.

von Stephan Schröder

In einem Gleichnis erzählt der Philosoph Søren Kierkegaard eine Clownsgeschichte. Da heißt es, dass ein Reisezirkus in Dänemark in Brand geraten war. Der Direktor schickte da­raufhin den Clown, der schon zur Vorstellung vorbereitet war, in das benachbarte Dorf, um Hilfe zu holen, da die Gefahr bestand, dass über die abgeernteten ausgetrockneten Felder das Feuer auch auf das Dorf übergreifen würde. Der Clown eilte in das Dorf und bat die Bewohner, sie mögen eiligst zu dem brennenden Zirkus kommen und löschen helfen. Aber die Dorfbewohner hielten das Geschrei des Clowns lediglich für einen ausgezeichneten Werbetrick, um sie möglichst zahlreich in die Vorstellung zu locken; sie applaudierten und lachten Tränen. Dem Clown war mehr zum Weinen als zum Lachen zumute. Er versuchte vergebens die Menschen davon zu überzeugen, dass dies kein Trick sei, sondern bitterer Ernst. Sein Flehen steigerte nur das Gelächter, man fand, er spiele seine Rolle ausgezeichnet – bis schließlich das Feuer auf das Dorf übergegriffen hatte und jede Hilfe zu spät kam, sodass Dorf und Zirkus gleichermaßen verbrannten.

Das Schicksal des Clowns ist im heutigen Evangelium auch das Schicksal Jesu. Denn so wie der Clown seine Botschaft nicht bis zum wirklichen Gehör der Menschen bringen kann, so bleibt die Botschaft Jesu gleichsam für viele unverstanden. Seine Angehörigen meinen sogar, dass er „von Sinnen“ sei. Die Schriftgelehrten glaubten, dass er von Dämonen besessen sei. Beide, der Clown und Jesus, teilen das gleiche Schicksal: Sie werden nicht verstanden.

Bereits vor gut 50 Jahren hat der damalige Professor Joseph Ratzinger in seinem viel beachteten Werk über die „Einführung in das Christentum“ diese Clownsgeschichte vorweggestellt. Ratzinger hat schon damals geahnt, dass das Christentum nicht mehr verstanden wird, dass die „Gewänder“ der Kirche, also ihre Sprache, ihre Gottesdienste, ihre Theologie immer weniger verstanden werden. – Heute, gut 50 Jahre später, erleben wir eine wahre Erosion des Glaubens. Viele Menschen wenden sich ab, sie verstehen die Kirche und ihre Botschaft nicht mehr. In rasender Geschwindigkeit verliert die Kirche ihre Anziehungskraft. Die Volkskirche existiert so gut wie nicht mehr. Manch einer könnte den Eindruck gewinnen, als sei das Christentum in unseren Breitengraden auch einem Flächenbrand zum Opfer gefallen.

Doch in einem Punkt unterscheidet sich die Geschichte des Clowns und die im heutigen Evangelium: Der Clown ist am Ende verzweifelt und weint, die Dörfler haben ihn nicht verstanden und das Dorf verbrennt. Jesus wird zwar auch von seinen Angehörigen und den Schriftgelehrten nicht verstanden, aber es gibt eben auch Menschen, die von seinen Worten berührt werden, die seine Botschaft begreifen, die verstehen, dass mit Jesus Christus etwas Neues, das Reich Gottes, angebrochen ist. Es gibt Menschen, die Jesus vertrauen, die bereit sind, ihr Leben für seine revolutionäre Botschaft der Liebe einzusetzen. Diese Menschen sind seine neuen Schwestern und Brüder!

Wir stehen heute vor der großen Herausforderung diese Menschen zu finden, sie wie Jesus aufzusuchen, ihnen zuzuhören, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie von der Kraft des Evangeliums zu überzeugen, damit sie zu Schwestern und Brüdern Jesu Christi werden. Ganz im Sinne der Worte aus dem zweiten Korintherbrief: „… wir glauben, darum reden wir.“

Zum Autor:Stephan Schröder ist Diözesanjugendpfarrer und Direktor des Jugendhauses Hardehausen.

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