14.02.2018

Und vergib uns unsere Schuld

Und vergib uns unsere Schuld

… wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Im sechsten Teil unserer Reihe zum Vaterunser geht es um die fünfte Bitte, über die man immer schon gestolpert ist.

von Claudia Auffenberg

Die fünfte Bitte bringt nun erstmals die Betenden selbst ins Spiel: von ihrem Handeln ist die Rede. Das ist nicht ungewöhnlich, irritierend ist vielmehr, dass das Handeln des Menschen Voraussetzung oder gar Maßstab für das Handeln Gottes ist. Kann das sein? Sind wir denn hier auf einer Art Bazar, wo Vergebung mit Vergebung erworben wird?

Sprachlich sind wir zumindest in der Finanzwelt, denn anders als der Evangelist Lukas nutzt Matthäus tatsächlich ein Wort aus diesem Bereich: nämlich den Begriff Schuld. Bei Lukas ist von Sünden die Rede. Eine Schuld bzw. Schulden werden getilgt oder erlassen, dieses Wort deutet also auf eine Beziehung unter Menschen hin als zwischen Gott und den Menschen, wo eher von Sünden die Rede ist.

Das Vaterunser ist Teil der Bergpredigt und direkt im Anschluss an das Gebet greift Matthäus diesen Gedanken noch einmal auf. Er zitiert Jesus mit folgenden Worten: Wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben.

Insgesamt taucht das Thema bei Matthäus sehr oft auf, es scheint also in der Gemeinde des Evangelisten ein Problem gewesen zu sein.

Im weiteren Verlauf des Evangeliums entfaltet der Verfasser die göttliche Autorität Jesu. Er gewährt Vergebung im eigenen Namen. So allerdings sollte das Vaterunser nicht verstanden werden. Es würde den jüdischen Beter Jesu zum Angebeteten machen und dies wäre für das Verständnis des Vaterunsers falsch. Dieses Gebet richtet sich klar an den Vater im Himmel, hier wird mit Jesus gebetet, nicht zu ihm.

Dem Juden Jesus war der Gedankengang, dass das Handeln des Menschen in gewisser Weise Voraussetzung für das Handeln Gottes ist, gut vertraut. In den Psalmen gibt es entsprechende Verse und im Buch Jesus Sirach heißt es: „Der Mensch verharrt im Zorn gegen den andern, vom Herrn aber sucht er Heilung zu erlangen? Mit seinesgleichen hat er kein Erbarmen, aber wegen seiner eigenen Sünden bittet er um Gnade?“

Schuld einzugestehen ist schwer, ebenso, einem anderen zu vergeben. Denn es hat mit Schmerz, mit Kränkung, vielleicht mit materiellem Verlust zu tun. Derjenige, an dem ein anderer schuldig geworden ist, ist das Opfer. Und als solches sinnt man nach Ausgleich, nach Wiedergutmachung, vielleicht nach Rache. Aber nicht immer ist Ausgleich möglich. Was dann? Muss man dann ein Leben lang Opfer sein oder könnte es einem sogar selbst helfen, Vergebung zu gewähren und so den Schuldiger aus dem eigenen Leben rauszuhalten, ihm keine Macht mehr zu geben über die eigene Existenz? Vergeben ist ein Kraftakt, aber im Vertrauen auf Gottes Hilfe kann er gelingen.

Vielleicht kann man es so sagen: Die fünfte Bitte des Vaterunsers macht gerade nicht menschliches Handeln zum Maßstab für Gottes Handeln, vielmehr gilt es umgekehrt: Im Vertrauen auf Gottes Wirken am Menschen wird man frei, am Mitmenschen ebenso zu handeln. Wer nicht vergeben kann, dem wird auch Gott nicht vergeben, weil er es gar nicht kann. Wer sich der Liebe Gottes verweigert, wird Mühe haben, sie zu erleben.

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