09.11.2017

Moderne Dienstboten im Dauereinsatz

Die Journalistin, Autorin und Querdenkerin Julia Friedrichs stellte sich in der Kommende den kritischen Fragen von Richard Geisen sowie von den rund 100 Zuhörerinnen und Zuhörern. Foto: Maas

Dortmund. Der Advent steht vor der Tür, die Liste, was noch zu erledigen ist, wird länger – und die Zeit verfliegt. Umso verführerischer wird es dann, ungeliebte Aufgaben einfach mal anderen zu überlassen. Pizza bestellen statt zu kochen, eine Putzfrau bringt das Haus auf Vordermann, die Geschenke bestellt man im Internet – schöne neue Dienstleistungswelt. Doch wer sind diese modernen Dienstboten eigentlich, sind sie zufrieden mit ihrem Job, verdienen sie genug, um ihre Familien zu ernähren? Diese Fragen stellte die Journalistin und Autorin Julia Friedrichs beim Querdenker-Abend in der Dortmunder Kommende.

von Wolfgang Maas

Schnell wurde im Gespräch mit DDr. Richard Geisen klar: Der Markt für sogenannte haushaltsnahe Dienstleistungen boomt. Dazu zählt Julia Friedrichs neben dem Putzen oder der Wäscherei auch Lieferungen von Essen und Lebensmitteln sowie Babysitting. Hier hakte Richard Geisen nach: „Putzfrauen und Babysitter gab es doch schon immer.“ „Es gab natürlich immer Putzhilfen“, so die Antwort der Autorin. Doch im Gegensatz zu den 1950er- oder 1960er-­Jahren gibt es mittlerweile einen gravierenden Unterschied: „Früher gab es zu einer Haushaltshilfe eine sehr eng an die Familie geknüpfte Beziehung.“

Und jetzt? Heute werden Dienstboten – den provokanten Begriff wählte Julia Friedrichs ganz bewusst – im Internet über Plattformen mit „angenehmer Benutzeroberfläche“ gebucht. Das ist nicht nur anonym, sondern auch praktisch. Denn dadurch spare man sich etwa die Verhandlungen über Honorare, denn „die geben die Plattformen vor“. Wer zum Putzen kommt oder die Lebensmittel liefert, erfährt man erst, wenn derjenige dann in der realen Welt an der Haustür klingelt.

Doch ist das wirklich so schrecklich oder eher eine Möglichkeit, beispielsweise die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen? „An sich sind solche haushaltsnahen Dienstleistungen nicht schlimm“, so die Autorin. Internetplattformen können zudem tatsächlich ein Mittel gegen illegale Beschäftigung sein.

Doch man müsse als Auftraggeber auch wissen, warum der Markt boomt. „Die Boten verdienen wesentlich weniger als ich.“ In Gesellschaften, in denen die Einkommen nicht weit auseinanderklaffen, gibt es diesen Markt nicht. Häufig sind Dienstleister selbstständig, weshalb der gesetzliche Mindestlohn nicht greift.

Dennoch gebe es viele Boten, die Pizza oder Pakete ausliefern und damit zufrieden sind. Der Vorteil: Solche Dienstleistungen sind ein niedrigschwelliger Zugang zum Arbeitsmarkt. Bei ihren Recherchen sprach Julia Friedrichs mit vielen jungen Menschen, die etwa aus Spanien oder Italien nach Deutschland kamen. Oder auch mit solchen, die „Brüche im Lebenslauf“ haben. Diese Personen sind froh, überhaupt Geld verdienen zu können. Ausgebeutet fühlten sie sich häufig nicht.

Zweifel kommen in der Regel erst später. Denn wo sich früher Studierende etwas dazu verdient haben, sind solche Jobs „heute auf Dauer, nicht nur für ein Jahr“ angelegt. Mit der Folge, dass „man in diesem Feld keine Karriere entwickeln kann“. Damit entfalle laut Julia Friedrichs auch die Möglichkeit, finanziell aufzusteigen – ein massives Pro­blem, wenn man eine Familie gründet und Kinder hat.

Im Gefolge dieses „modernen Dienstleistungsproletariates“ (Friedrichs) entwickelt sich auch die sogenannte „Arbeit auf Abruf“. Das heißt, dass Mitarbeiter zwar fest angestellt werden, aber keine monatliche Arbeitszeit im Vertrag festgelegt wird. Einsätze von heute auf morgen seien Realität, auch wenn diese gesetzlich verboten sind. Irgendjemand aus dem Mitarbeiterpulk wird die Schicht schon übernehmen. Die Folge sind wenig Planbarkeit der eigenen Arbeitszeit sowie stark schwankende Gehälter.

So weit, so alarmierend. Doch was kann man als Konsument ändern? Erst mal sei es wichtig, über das Thema zu sprechen. Dann sollte man bei den Honoraren im Internet genauer hinsehen. Wie viel verlangt etwa ein etabliertes Unternehmen vor Ort? Kann man nicht auch mal selbst die Pizza abholen? Das eigene Verhalten beeinflusst auch den Markt. Und die Gewerkschaften seien hier ebenfalls gefragt.

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