19.01.2017

Widerstand in widrigen Zeiten

Rudolf Dietrich. Archivfoto: Generalvikariat

Paderborn. Vor 75 Jahren begann der Leidensweg eines Mannes, der seine katholische Überzeugung nicht vor den nationalsozialistischen Machthabern verleugnen wollte. Dr. Rudolf Dietrich war 1942 Direktor des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn. Sieben Jahrzehnte später entdeckte die Paderborner Abiturientin Sarah Bremsteller, welchen Repressalien Dietrich ausgesetzt war. Jetzt ist eine Veröffentlichung erschienen, in der sie unter anderem schildert, wie der Caritasdirektor entwürdigt und mundtot gemacht werden sollte.

von Karl-Martin Flüter

Erschienen ist der Bericht in einer Schriftenreihe der Friedrich-Spee-Gesamtschule in Paderborn. Dort hat Sarah Bremsteller über die Verfolgung katholischer Priester im Erzbistum Paderborn geschrieben – neben Rudolf Dietrich berichtet sie über den Ettelner Vikar Siemen, den Schloß Neuhäuser Pfarrer Joseph Wittler sowie Pfarrer Gerhard Baumjohann in Welper.

Die Abiturientin hat 2014 und 2015 die Schicksale der Kirchenmänner während der Zeit des Nationalsozialismus im Rahmen einer Projektarbeit für das Fach Geschichte recherchiert.

Dabei war sie auf die Ergebnisse einer Befragung gestoßen, die das Paderborner Generalvikariat 1948 durchgeführt hatte. Priester und kirchliche Mitarbeiter berichteten dort über Zwangs- und Gewaltmaßnahmen, denen sie durch die Nationalsozialisten ausgesetzt gewesen waren.

Die Schülerin wertete diese Quellen aus. Ein halbes Jahr nach ihrem Abitur, das sie im Sommer des Jahres in der Friedrich-Spee-Gesamtschule abgelegt hat, ist ihre Arbeit jetzt als Buch veröffentlicht worden.

„Die katholische Kirche war ein Widersacher des Nationalsozialismus“, folgert die Abiturientin aus ihrer Untersuchung. Minutiös schildert sie die Gängeleien, Verhöre und Verhaftungen, denen die vier Männer ausgesetzt waren. Oft waren – wie bei Vikar Siemen – unerschrockene Predigten Anlass für die Repressalien. Gerhard Baumjohann ließ nicht locker, als er von der Ermordung kranker und behinderter Menschen erfuhr. Seine Unbeugsamkeit brachte ihn ins KZ Dachau, wo er bis zum Kriegsende überlebte.

Joseph Wittler wurde beinahe hingerichtet, weil er bei Kriegsende den Schloß Neuhäuser Kampfkommandanten bat, den Ort kampflos aufzugeben. Die Exekution sollte am zweiten Ostertag 1945 stattfinden. Nur die Verwundung und der anschließende Suizid des Kampfkommandanten retteten Wittler.

Während die Schicksale dieser drei Pfarrer weitgehend bekannt sind, ist über die Verfolgung des Caritasdirektors Rudolf Dietrich kaum berichtet worden. Der von Dietrich beantwortete Fragebogen des Generalvikariates und ein weiterer Brief, in dem der Caritasdirektor Auskunft gibt, sind offenbar seit ihrer Anfertigung 1948 nicht mehr ausgewertet worden.

Aus diesen Archivunterlagen geht hervor, so die Autorin Sarah Bremsteller, „dass Dietrich sieben Mal von der Gestapo vernommen wurde und sich auch einer Hausdurchsuchung unterziehen musste. Außerdem erhielt er insgesamt vier Verwarnungen und musste für insgesamt 50 Tage ins Gefängnis.“

Die Anlässe für diese Dauerverfolgung waren nichtssagend. Über die Verhöre und seine Haftzeit musste Dietrich schweigen. Kleingekriegt haben ihn die Nationalsozialisten nicht. Das letzte Mal wurde der Caritasdirektor im Mai 1942 wegen seiner Funktion als Vorsitzender der Vincenz- und Elisabethvereine vorgeladen. „… er verweigerte jedoch erneut die Aussage, weswegen ihm wiederum mit Haft gedroht wurde, die er aber nicht antreten musste“, schreibt Sarah Bremsteller.

Seine frühere Schülerin habe „einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte des kirchlichen Widerstandes in Paderborn“ geleistet, meint Daniel Raths, Lehrer und Projektleiter an der Friedrich-­Spee-Gesamtschule, über die Studie von Sarah Bremsteller. Ihre Arbeit „führt uns allen vor Augen …, dass jeder Einzelne auch in widrigen Zeiten und unter Strafandrohung für menschliche Werte und Nächstenliebe einstehen kann.“

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