11.11.2016

„Der ideale Besuch“

Der erste Weg von Gott führt in Erwin Grosches Buch in das Paderborner Matratzenkaufhaus Concord. Dort entstand auch dieses Foto von dem Künstler. Foto: Karl-Martin Flüter

Paderborn. Der Künstler Erwin Grosche tritt seit mehr als drei Jahrzehnten mit seinen merkwürdigen, nachdenklichen, komischen Programmen auf. Zudem ist er Autor von zahlreichen Büchern. Jetzt hat er im Bonifatius Verlag einen Roman über Gott veröffentlicht: „Wie ich mit Gott eine Matratze kaufte. Geschichten von Gott und der Welt.“

Ein Interview von Karl-Martin Flüter

Der DOM: Wie kann man heute über Gott schreiben?

Erwin Grosche: Es ist sehr schwer. Als Autor kommt man sofort in eine Welt hinein, die anders ist als der normale Alltag, viel schwerer, oft pathetisch.

Vieles haben Sie ironisiert. Gott tritt im Trainingsanzug von Tchibo auf und spielt gerne Blues.

Im Pathos vieler religiöser Texte spiegelt sich Respekt und Hochachtung. Das kann ich verstehen, dennoch ist das nicht meine Sache. Ich muss das Buch ja auch bei Lesungen vorstellen. Deshalb habe ich ironische Mittel eingesetzt, um das Pathos ein wenig zu brechen.
Sie beschreiben Gott als netten Menschen, an dem Kritik einfach abgleitet.

Ja, er ist der ideale Besuch. Er besucht uns, um zu sehen, was wir aus dem gemacht haben, was er uns gegeben hat. Er will natürlich auch wissen, wie und was man über ihn sagt. Deshalb machen ihm Feindseligkeit oder Ablehnung wenig aus. Er empfindet diese Gefühle positiv: als Aufmerksamkeit.

Es gibt in dem Roman kaum Bibelzitate.

Gott ist in meinem Buch mit dem da, was er mal gesagt hat, aber er wiederholt diese Worte nicht. Außer dem Hohelied der Liebe aus dem 1. Korin­ther­brief gibt es tatsächlich keine Stellen aus der Bibel.

Ich wollte Gott fassbar machen, über einen Gott schreiben, an dem man sich reiben, mit dem man sich messen kann. Einen Gott der kleinen Leute. „Wie ich mit Gott eine Matratze kaufte“ ist ein kleines Buch – voller Respekt vor dem Thema, aber mit leichter Hand geschrieben. Vieles könnte auch in einem Kinderbuch vorkommen.

Gott lebt in einer Wohngemeinschaft, kauft eine Matratze, fährt mit dem Bus und besucht ein Musikgeschäft. In eine Kirche geht er nicht.

Für ihn ist alles Kirche.

Was unterscheidet Sie von anderen Autoren, die Gott als Thema gewählt haben?

Das weiß ich nicht. Ich sehe Kirche und Glauben in einer Gesamtheit.

Man sucht sich oft das aus, worin man gläubig sein will. Wenn man sagt, man sei gläubig, muss man das beispielsweise auch im Straßenverkehr sein. Es ist vielleicht eine Kleinigkeit, wenn man als Autofahrer einen Fußgänger über die Straße gehen lässt, aber wenn man wie ich in der Nähe des Südrings in Paderborn wohnt, dann kommst du einfach nicht über die Straße. Es lässt dich keiner rüber.

Man kann nicht zu Weihnachten in die Christmette gehen und ansonsten sein Leben wie gewohnt weiterleben. Christsein bezieht sich auf das ganze Leben. Die Welt wäre besser, wenn man das in dieser Gesamtheit sehen würde.

Es geht mir auch darum, die Bibel ernst zu nehmen. Der Caritasverband Brilon hat einen guten Slogan: „Den Menschen dienen“. Das ist es. Ein Menschenfreund zu werden, für den anderen da sein. Dass das so selbstverständlich wird wie essen oder atmen.

Warum ist Gott in Ihrem Buch einsam?

Ich glaube, dass Gott sehr einsam ist, wenn er sieht, was wir aus dem, was er uns gegeben hat, gemacht haben. „Wenn es uns nicht gibt, gibt es Gott nicht“, hat ein Philosoph gesagt. Dieses Aufeinanderangewiesensein, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl von uns und ihm: Das wollte ich damit ausdrücken.

Muss man Gott zum Menschen machen, um sich ihm nahe zu fühlen? Brauchen wir ein Bild von ihm?

Nein. Ich habe versucht, das zu vermeiden. Vielleicht brauchen Menschen die Bilder von Gott, um an ihn zu glauben. Aber im Grunde kann jeder ihn in sich spüren. Wenn mein Roman dieses Gefühl dafür stärken würde, hätte ich mehr erreicht, als ich erwarten konnte.

ier geht es zum Buch auf der Homepage des Bonifatius Verlages

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