14.03.2016

Beim Apfelpflücken über Gott reden

Gesprächsrunde im Klostergarten: Das Jahresprogramm der Benediktinerinnen in Rietberg-Varensell für Gäste ist vielfältigt und reicht von Themen-Kursen bis zu Familienwochenenden. Foto: Abtei Varensell

Rietberg-Varensell. Körper und Geist eine Auszeit gönnen von Alltag und Routine, Hetze und Hektik. Stattdessen Ruhe finden, nachdenken können – über sich, das Leben, den Glauben und Gott. Der Trend, wie Hape Kerkeling „mal weg“ zu sein von allem, was belastet und den Blick auf das Wesentliche verstellt, beschert Klöstern eine steigende Anzahl von Besuchern und Gästen. In der Benediktinerinnen-Abtei Rietberg-Varensell finden Menschen nicht nur Ruhe und Abgeschiedenheit, sie können dort auch an verschiedenen Kursen teilnehmen oder in den Arbeitsbereichen des Klosters – etwa im Garten – mithelfen. Dabei bestimmen die Gäste selbst, wie „klösterlich“ sie leben möchten.

Eine Ordensschwester steht auf einer Leiter und pflückt Äpfel. Sie reicht die Früchte einer Frau an, die neben ihr einen Korb bereithält. Schwester Teresa Friese von der Benediktinerinnen-Abtei in Varensell schaut auf das Foto und lächelt: „Das entspricht vielleicht nicht dem, was man sich landläufig unter dem Leben in einem Kloster vorstellt, ist aber ein wichtiger Teil unseres Alltags hier.“ Und dann fügt sie hinzu, gerade in solchen Situationen entwickelten sich immer wieder hochinteressante Gespräche: „Wenn man zum Beispiel beim Äpfelpflücken darüber spricht, was den Glauben der Christen an Gott ausmacht, dann mag das im ersten Moment vielleicht ein wenig skurril klingen, ist aber eigentlich ganz natürlich.“ „Ora et labora“ (Bete und arbeite) ist eines der Angebote der Varenseller Benediktinerinnen: Die Gäste nehmen am Tagesrhythmus des Mönchstums im Wechsel von Gebet und Arbeit teil. Schweige-Wochen für Gäste oder Wüstenwochenenden „Allein im Angesicht Gottes“ sowie Exerzitien legen einen anderen Schwerpunkt.

Klösterliches Leben und Offenheit gegenüber Besuchern schließen sich in keiner Weise aus – im Gegenteil: Die Aufnahme von Gästen spielt in der Regel des Hl. Benedikt für den Orden eine wichtige Rolle. Darin heißt es: „Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus, denn er wird sagen: Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“ „Diese Gastfreundschaft ist uns sehr wichtig“, erklärt Schwester Teresa. Das Gästehaus St. Benedikt der Abtei wird von drei Schwestern betreut.

Was macht die Faszination des klösterlichen Lebens aus? Die Gäste, so Schwester Teresa, sprächen immer wieder von Glaubwürdigkeit und Tiefe, wenn sie ihre Beweggründe beschrieben. „Sicherlich spielt manchmal auch Neugierde eine Rolle!“ Was durchaus auch zu eigenartigen Erwartungen führen kann, wie die Schwester erklärt: „Manchmal haben Gäste auch falsche Vorstellungen davon, was sie hier erwartet.“ Etwa die, dass auch Besucher eine Ordenstracht bekämen. Doch das seien absolute Ausnahmen.

Ansonsten sei die Mischung der Gäste sehr bunt: Priester seien genauso darunter wie Atheisten, Studenten träfen auf Rentner. Die Frauen allerdings sind eindeutig in der Mehrzahl. Alle suchen Stille, ein Leben, das einer gewissen Ordnung unterliegt und nicht zuletzt Antworten auf Fragen rund um den Glauben.

Warum gerade Menschen auf der Suche so oft den Weg ins Kloster finden, erklärt sich Schwester Teresa so: „Klöster sind der Teil der Kirche, die auch Glaubensfremden ohne Probleme offen stehen.“ Es müssen keine Termine für ein Glaubensgespräch gemacht werden, die Gelegenheiten ergeben sich im Alltag – etwa beim Apfelpflücken. Deshalb wundert es die Benediktine
rinnen auch nicht, dass so viele Menschen kommen, die im Glauben nicht oder nicht mehr zu Hause sind. Innerhalb des Klosters erführen sie, wie Glaube, Leben und Alltag eine Einheit bildeten.

Die Grundlage dazu bildet ein detailliertes Regelwerk, das den gesamten Tagesablauf ordnet. Ein Anachronismus in einer Zeit, in der permanent verkündet wird, dass alles zu jeder Zeit möglich sei? Oder die Möglichkeit, das, was den Blick auf die wirklich wichtigen Dinge verstellt, buchstäblich „draußen“ zu lassen.

Für Schwester Teresa keine Frage, doch nicht nur für sie: „Unsere Gäste sagen immer wieder, wie gut ihnen der geregelte Tagesrhythmus tut“, erklärt sie. Für junge Menschen sei diese ausgeklügelte Ordnung häufig eine völlig neue Erfahrung: „Allerdings eine sehr entlastende.“ Hinzu kommt sicherlich die Ursprünglichkeit des Lebens im Kloster. „Bodenständigkeit“, nennt Schwester Teresa das und kommt in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Garten der Abtei zu sprechen: „Die Möglichkeit, die Schöpfung so unmittelbar zu spüren und die Natur so direkt zu erleben, haben viele Menschen nicht mehr so ohne Weiteres.“

In den vorgeblich einfachen Dingen das spüren, was das Leben ausmacht und ihm Tiefe gibt – vielleicht ist es diese Erfahrung, die Menschen heute im täglichen Leben kaum noch machen können, und die dem Leben in einem Kloster so viel Faszination verleihen.

Andreas Wiedenhaus

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