15.04.2016

Verschenkt Micky-Maus-Uhren!

Guido Westerwelle hatte in seinem Büro im Auswärtigen Amt ein auffälliges Stehrümmchen: eine kleine, quietschgelbe Micky-­Maus-Uhr. Davon erzählte sein Nachfolger, der auch sein Vorgänger war, Frank-Walter Steinmeier, beim Trauerakt im Auswärtigen Amt.

Die Uhr war ein Geschenk, das Wester­welle bei einem Fototermin in einer Mädchenschule im Gaza­streifen von den sieben- und achtjährigen Schülerinnen bekommen hatte. Beim Rückflug war es für den damaligen Außenminister gar nicht so einfach, das Sicherheitspersonal davon zu überzeugen, dass das Ding natürlich mit ins Flugzeug kommt.

Gastgeschenke bekommt ein Politiker viele. Manchmal sieht man im Fernsehen, wie der Papst oder die Queen solche Geschenke mit ihren Gästen austauschen: alte Bücher, Kunst, Medaillen, irgendwas Kostbares, meist kein Gebrauchsgegenstand, aber immer hochsymbolisch. Die Micky-Maus-Uhr hatte einen kleinen Nutzen, aber das war es wohl nicht, warum Westerwelle ihr einen Ehrenplatz gegeben hat. Steinmeier begründete es in seiner Trauerrede damit, dass für Westerwelle „die Hinwendung zum Menschen ein Ur-Impuls seiner politischen Arbeit gewesen“ sei. Womöglich gibt es noch einen weiteren Grund. Womöglich war die Übergabe der Uhr einer der seltenen Momente im Leben eines Politikers, in denen echte Menschen ihn als echten Menschen wahrnehmen, annehmen und ihm etwas schenken. Vielleicht etwas, das Kinder besonders beherrschen.

Im Augenblick beginnen viele Zeitungskommentare aus gegebenem Anlass mit einem Hinweis auf das Kinderbuch „Oh, wie schön ist Panama“. Das Buch erzählt von Freundschaft und vom Paradies, in dem man längst, aber unbemerkt lebt. Denn der Bär und der Tiger, die nach Panama wollen, landen am Ende ihrer Reise in ihrem eigenen Haus.

Vielleicht ist das das Drama hinter dem Skandal: dass die Reichen und Wichtigen dieser Welt ihr Heil im Geld, im Geheimen und in der Ferne suchen und dass es einfach zu wenige Menschen gibt, die Micky-Maus-­Uhren verschenken.

Claudia Auffenberg

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