09.05.2018

„Priester-Werden“ im Heute

Die seitliche Bestuhlung im neuen Kirchenraum – hier die Einweihung – wird von der Hausgemeinschaft des Priesterseminars gut angenommen. Fotos: Nückel

Paderborn. Professor Monsignore Dr. Michael Menke-­Peitzmeyer (kl. Foto) ist Regens des Erzbischöflichen Priesterseminars in Paderborn. Anlässlich der Priesterweihe sprach er mit dem DOM über aktuelle Fragen der Priesterausbildung. Die Fragen stellte Matthias Nückel.

Herr Regens Dr. Menke-Peitzmeyer, die Umbauarbeiten im Priesterseminar sind weit fortgeschritten. War der Bau während des laufenden Betriebes des Seminars sehr belastend?

In der Tat! Seit 2014 beschäftigen uns die Bauarbeiten auf unserem Gelände an der Leo­straße sehr intensiv. Hierbei geht es ja nicht nur um eine turnusmäßige Renovierung des Altbestandes, sondern um die Realisierung eines umfassenden Konzeptes von Um- und Neubau unseres gesamten Gebäudekomplexes. Nachdem zunächst das Leokonvikt zum Büro- und Verwaltungsgebäude umgebaut wurde und ein Neubau für das Priesterseminar an der Stelle des abgerissenen Schwesternhauses errichtet wurde, läuft zurzeit der Umbau und die Renovierung des Altbaus des Priesterseminars. Somit entsteht ein gut ausgestattetes Haus für die Aus- und Fortbildung der Priester unseres Erzbistums mit etwa 60 Zimmern und entsprechenden Arbeits- und Versammlungsräumen. Die gesamten Maßnahmen, die uns voraussichtlich bis Ende nächsten Jahres beschäftigen werden, wurden und werden allesamt bei laufendem Betrieb durchgeführt. Ich bin dankbar, dass nicht nur unsere Studenten, sondern auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Situation mit einem hohen Maß an Verständnis, Flexibilität und Geduld mittragen. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn ein solches Bauprojekt fordert das Nervenkostüm eines jeden sehr heraus!

Die fertigen Räume im Neubau machen einen sehr ansprechenden Eindruck. Wirkt sich das positiv auf die Ausbildungssituation aus?

Es ist für unsere Studenten und Seminaristen natürlich sehr angenehm, in einem Neubau leben und arbeiten, beten und Liturgie feiern zu können. Außerdem werden Kräfte geweckt, sich die neuen Räume zu erschließen und sie kreativ zu gestalten. Das verändert auch das Zusammenleben im Haus. Insofern nehme ich durchaus eine gewisse Aufbruchsstimmung wahr. Sehr positiv macht sich der neue Kirchenraum im Seminar bemerkbar. Das völlig neue und auch ungewohnte Raumkonzept, ein bipolarer Kirchenraum mit dem Gegenüber von Altar und Ambo bei seitlicher Anordnung der Bestuhlung, ist eine große Herausforderung, die unsere Hausgemeinschaft aber gut angenommen hat. Ich habe den Eindruck, dass die Intensität und, wenn man es so sagen darf, die „Qualität“ der liturgischen Feiern und des gemeinschaftlichen Betens zugenommen hat.

Wichtiger als Räume sind die Inhalte der Ausbildung. Gibt es auch hier Veränderungen?

Da stimme ich Ihnen zu: Die Inhalte sind wesentlich, auch wenn gerade für junge Menschen das „Setting“ ihrer Ausbildung nicht zu unterschätzen ist. Inhaltlich arbeiten wir weiterhin an einer Stärkung und Profilierung der Gesamtpersönlichkeit unserer Seminaristen. Sie sollen in den drei Dimensionen von Mensch-Sein, Christ-Sein und Priester-Werden zu Persönlichkeiten heranreifen, die das Evangelium überzeugt und überzeugend verkünden und leben. Dabei kommt es uns vor allem auf die Entwicklung von Grundhaltungen an – und nicht in erster Linie auf das Erlernen von Fertigkeiten und Kompetenzen, so wichtig diese auch sind. Anders ausgedrückt: Natürlich ist es wichtig, dass ein künftiger Priester lernt, wie er die heilige Messe zelebriert oder die Sakramente spendet. Aber wichtiger noch ist die Haltung, aus der heraus er die Liturgie feiert. Wenn er sich nicht nur als „Gegenüber“ zu seiner Gemeinde versteht, sondern sich mit den ihm anvertrauten Menschen auf dem Weg weiß, um als Diener Christi für sie da zu sein, hat er das Wesentliche seines Auftrages verstanden. Alles andere würde auf einen unseligen Klerikalismus hi­nauslaufen, der im Abseits endet. Deshalb ist das Einüben der Haltung von Hingabe bzw. Dienstbereitschaft von zentraler Bedeutung für die „Grundausstattung“ eines Priesters. Das ist übrigens seit jeher der Kern des priesterlichen Amtsverständnisses auf der Grundlage der Lebenshaltung Jesu!

In diesem Jahr werden nur zwei Diakone zu Priestern geweiht. Müssen wir uns auf Dauer auf so kleine Zahlen einstellen?

Ich gehe davon aus, dass wir in den kommenden Jahren im Durchschnitt mit drei Priesterweihen rechnen können. Zurzeit sind 30 Seminaristen in 8 Ausbildungsjahrgängen unterwegs; im Herbst erwarten wir 6 bis 7 neue Kandidaten.

Und wie hoch ist die Zahl der Seminaristen, die ihre Ausbildung abbrechen?

Die Zahl derer, die das Seminar vorzeitig verlassen, ist gegenwärtig geringer als zu früheren Zeiten. In den vergangenen Jahren war es ein Anteil von etwa 25 Prozent der Studenten. Woran das im Einzelnen liegt, ist nicht eindeutig zu erklären. Auf jeden Fall spielt das sorgfältige Aufnahmeverfahren, in dem auch eine psychologische Begutachtung der Bewerber durchgeführt wird, zu einer gezielteren Auswahl der Kandidaten. Vielleicht liegt es auch daran, dass in der gegenwärtigen kirchlichen Stunde derjenige, der sich gegen den Trend auf den Weg zum Priesterberuf macht, bereits am Anfang entschiedener ist als früher. Und möglicherweise trägt auch die engmaschigere Begleitung in kleineren Ausbildungsgemeinschaften zu einer stabileren Basis für die Berufsentscheidung bei.

Worin sehen Sie die wesentlichen Herausforderungen oder auch Probleme in der Priesterausbildung?

Eine erste Herausforderung sehe ich in der Weiterentwicklung eines gesunden und stabilen menschlichen Fundamentes der Persönlichkeit der jungen Männer. Sie sind Kinder ihrer Zeit und bringen neben ihrem Glauben, ihren Talenten und ihrem Idealismus natürlich auch die Prägung durch ihr familiäres und gesellschaftliches Umfeld mit. Da gibt es neben vielem Erfreulichen auch so manche schmerzliche Erfahrung und Instabilität. Ich denke dabei etwa an die Situation der Trennung von Eltern und der Erziehung durch nur ein Elternteil. Das ist eine Erfahrung, die die weitere Entwicklung eines Menschen nachhaltig prägt. Wenn ein junger Mann eine solche Situation nicht nur annimmt, sondern auch „aufarbeitet“ und in sein geistliches Leben integriert, kann er ein guter Priester werden, der zudem eine besondere Sensibilität für Menschen mit ähnlichen Schwierigkeiten hat.

Eine weitere Herausforderung sehe ich in der Entwicklung einer stimmigen Motivation für den priesterlichen Dienst. Jeder Kandidat muss sich immer wieder fragen, aus welcher Absicht heraus er den Priesterberuf ergreifen will. Wer nur oder vornehmlich sich selbst sucht oder die große sakrale Bühne für sein Ego sucht, ist sicherlich nicht für den Priesterberuf geeignet. Außerdem halte ich es für sehr wichtig, dass sich die künftigen Priester als Kinder ihrer und unserer Zeit im Heute verorten und nicht eine vergangene Epoche von Kirche und Gesellschaft wiedererstehen lassen wollen. Ohne die Bereitschaft zur Zeitgenossenschaft wird ein Priester nicht erfüllt leben und wirken können. Das heißt jedoch nicht, sich allem anzupassen oder gar anzubiedern, was heute „in“ ist.

Was heißt das konkret?

Als Priester, der hierzulande oft noch zu Recht als „Geistlicher“ bezeichnet wird, sollte ich bereit und fähig sein, die Geister zu unterscheiden, wie es der heilige Ignatius von Loyola in seinem Exerzitienbuch beschreibt. Dabei geht es da­rum, in einer pastoralen Situation, z. B. in der Begleitung von Trauernden oder Hilfesuchenden, gut hinzuschauen, was die Menschen bewegt und beschäftigt und wie sie auf der Grundlage des Evangeliums Hilfe und Orientierung für ihr Leben finden können. Das kann und wird für jeden Menschen eine unterschiedliche Akzentsetzung haben. Insofern spreche ich gerne von dem „seelsorglichen Dreieck“ von Person, Situation und Evangelium. Denken Sie nur an die Situation konfessionsverschiedener Ehen und Familien, die gegenwärtig diskutiert wird. Da gibt es nicht nur pastorale Regelungen in „schwarz“ oder „weiß“, sondern viele, mitunter schwer auszuhaltende Übergangstöne. Allerdings muss man sich als Priester schon der Mühe unterziehen, sich um die betreffenden Menschen zu kümmern und manche Unsicherheit auszuhalten. Und das erwarten die Menschen – übrigens völlig zu Recht – von ihren Priestern.

Damit stehen gerade junge Priester natürlich vor großen Herausforderungen. Kann ein ehelos lebender junger Mann denn dabei auf die Dauer glücklich werden?

Es ist und bleibt eine große, ja sogar sehr große Anforderung an uns Priester, die Vielfalt der Erwartungen und übrigens auch der Kritik an uns auszuhalten. Und das ohne den bergenden Raum einer Partnerschaft und einer eigenen Familie. So mancher von uns Priestern erlebt da deutlich seine Grenzen. Deshalb ist es umso wichtiger, sich bereits in den Jahren des Studiums und der Ausbildung sowohl um eine intensive innere Beziehung zu Gott zu bemühen und das geistliche Leben zu pflegen als auch ein gutes soziales Netz von Freunden und Wegbegleitern zu entwickeln, auf die man sich nicht nur in guten Tagen verlassen kann. Ohne eine solche Lebenskultur wäre die zölibatäre Lebensform nicht zu realisieren! Das gilt übrigens in ähnlicher Weise für das Leben in einer christlichen Ehe und Familie. Insofern sollte die Diskussion über den Zölibat nicht zu eng geführt werden.

Und was können alle – Gemeinden und Gläubige – tun, um Berufungen zu fördern?

Das ist eine gute Frage! Zunächst einmal ist es wichtig, dass die Gläubigen vor Ort bereit sind, die Priester insgesamt, besonders aber die jungen Vikare, die ich besonders im Blick habe, offen und freundlich aufzunehmen und nicht mit Erwartungen oder Forderungen zu überschütten. Auch wir Priester sind (nur) Menschen und freuen uns über ein Klima des Wohlwollens und Anerkennung, in dem es sich gerne arbeiten lässt. Und wer um seine eigenen Schwächen und Grenzen weiß, wird auch verstehen können, dass Priester keine perfekten Übermenschen sind. Deshalb braucht es auch Aufmerksamkeit, Verständnis und Geduld im Miteinander und hin und wieder auch eine wohlwollende kritische Rückmeldung. Und natürlich benötigen wir auch das kontinuierliche Gebet um Priesterberufungen. Ich bin dankbar für jede Gebetsinitiative in unseren Gemeinden, die gerade auch von jüngeren Priestern auf den Weg gebracht oder gefördert werden.

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