11.05.2017

Perlen der Erinnerung

Foto: Christina Maderthona / pixelio

Der Wohnblock sieht nicht gerade so aus, als ob dort das katholische Bürgertum lebt, das sonntags zur Kirche kommt. Die Dämmerung schmeichelt ihm etwas und dankenswerterweise haben die Leute die Gardinen nicht zugezogen, sodass man mal gucken kann, was drinnen los ist. Nicht, dass man neugierig spannen würde, aber ein gewisses Mindestmaß an Interesse für seine Mitmenschen sollte dem Katholiken ja schon zu eigen sein.

von Claudia Auffenberg

Also, die einen gucken Fernsehen, öffentlich-rechtlich, ach! Die erste Überraschung. In der obersten Etage dann die nächste: Durch das Fenster fällt kaltes Neonlicht nach draußen, zu sehen sind kahle Wände, von unten strahlt der Raum die Gemütlichkeit eines Operationssaals aus. Brrr … Doch drei Schritte weiter, anderer Blickwinkel: an der Wand hängt ein Rosenkranz, einer mit diesen tischtennisballgroßen Perlen, den vermutlich jeder zu Hause hat, dessen Oma mal in Lourdes war und der nun im Keller liegt, weil man ihn natürlich in Ehren halten will, aber nicht so recht weiß, wie.

Warum hängt so ein Rosenkranz in diesem Raum mit dem kalten Licht und den kahlen Wänden? Reine Deko oder doch mehr? Man kommt ins Grübeln. Wann hat man eigentlich zuletzt den Rosenkranz gebetet? Nicht, dass man keinen hätte, im Gegenteil, mehrere natürlich. Und jeder hat eine Geschichte. Sie sind Geschenke oder Mitbringsel oder Erbstücke. An ihren Perlen hängen heute weniger Gebete als mehr Erinnerungen an das eigene Leben oder an Menschen, an Oma und ihre Reise nach Lourdes. Manchmal sind auch Erinnerungen ein Gebet. Und ein Segen.

Warum hängt da oben der Rosenkranz an der Wand? Ach, das würde man doch zu gern mal wissen.

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