14.03.2019

Naturtrüb? Na klar!

Naturtrüb: Betrüblich oder gesünder? Foto: Timo Klostermeier/pixelio

Was uns im Leben betrübt, kann uns klarer sehen helfen durch den Glauben.

von Laetitia Eberle

Wenn Sie Apfelsaft trinken, dann lieber klaren oder trüben? Auf einer Apfelsaftflasche ist zu lesen: „Die sogenannten Schwebstoffe machen den naturtrüben weniger durchsichtig als den klaren Apfelsaft. Sie geben dem ungefilterten Saft zudem sein besonderes und eher kräftiges Aroma.“

Die Jünger im heutigen Evangelium bekamen Angst, als sie nach all den herrlichen Erlebnissen auf dem Gipfel von einer Wolke umgeben waren. Als undurchsichtig erleben sie das Geschehen und doch war es „kräftig im Aroma“. Jesus geht mit Petrus, Johannes und Jakobus auf einen Berg, um zu beten. Und seine Ausstrahlung hat offenbar etwas Faszinierendes. So schlägt Petrus vor, drei Hütten zu bauen. Er will die Erfahrung festhalten, genießen, verlängern. Aber er versteht nicht, dass Jesu Weg durch Tod und Auferstehung hindurch weitergeht.

Vieles in unserem Leben ist trüb, unklar, vielleicht sogar ungenießbar. Und doch wissen wir, dass das Trübe in einem guten Saft gesund ist. Unter all den „Schwebstoffen“ findet sich auch die Stimme Gottes. Sie ist so leise, dass man Schweigen, Hinhören und Unterscheiden lernen muss. Und wie unterscheidet sich diese Stimme von den vielen anderen? Sie geht mit Hoffnung und Freude einher, sie richtet auf und lenkt den Blick nach vorne. In dieser Stimme ist jede und jeder bei seinem Namen gerufen, mit Jesus auf einen Berg zu gehen, durchzuatmen und die klare und weite Sicht zu bestaunen. In der Ferne relativiert sich vieles, es verliert seine Dominanz, es verklärt sich. Klarheit kann man nicht wie durch das Filtrieren eines Saftes herbeiführen. Sie ereignet sich zumeist in der Stille.

Jesus zeigt uns, dass es die Mühe wert ist, bestimmte Orte aufzusuchen: den Berg, ein andermal die Wüste oder eine einsame Gegend. Dort öffnet sich ihm der Himmel – der Himmel im eigenen Herzen. Durch die Zusage, dass er der Sohn Gottes ist, weiß Jesus, wer er ist. Er braucht diese Klarheit, um auf seinem weiteren Weg nach Jerusalem bestehen zu können. Sein Ziel ist noch nicht erreicht.

Betrübend ist jede Art von Kreuzerfahrung, klar die Herrlichkeit, die uns manchmal eine Vorahnung vom Ostergeschehen gibt. Wenn unser Blick getrübt ist angesichts von Krankheit, Enttäuschung, Angst und Trauer, wird uns die Zusage geschenkt: Wer mit Christus seinen Weg geht, wer bereit ist, auf ihn zu hören und von ihm zu lernen, wird seinen eigenen Weg finden und mutig dem persönlichen Ostern entgegengehen können.

Das Bild vom Beten auf dem Berg, abseits des normalen gesellschaftlichen und religiösen Lebens, kann uns ermuntern, unseren eigenen Ort dafür zu suchen; denn vieles im Leben kann sich nur wandeln, wenn es im Gebet in die große Beziehung zu Gott hineingenommen wird. Bisweilen werden wir genauso wenig verstehen wie Petrus. Die Trübungen des Lebens schmecken uns nicht, aber im Vertrauen, dass Gottes Gaben grundsätzlich sehr bekömmlich sind, setzen sie sich ab und klären sich.

Der Hüttenbau des Petrus kommt nicht zustande. Sein Leben führt ihn, bereichert um die Erfahrung der Gottesnähe, weiter; die Beteiligten gehen schließlich schweigend auseinander. Übertragen auf das eingangs genannte Bild kann man festhalten: Der naturtrübe Apfelsaft enthält für unsere Gesundheit wertvolle Pflanzenstoffe – alles, was unser Leben beinhaltet, ist für unsere persönliche Reifung unersetzlich. Der trübe Saft schmeckt kräftiger als der klare – unser ungefiltertes, nicht auf das Unbeschwerte reduzierte Schein-Leben, hat eine wunderbare Geschmacksvielfalt. Lassen Sie sich’s schmecken!

Zur Autorin:

Sr. Laetitia Eberle ist Augustiner Chorfrau und Prokuratorin des Michaelsklosters in Paderborn.

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