05.01.2018

Mit den Worten Jesu?

Was genau hat er gesagt? Foto: misterQM / photocase

Hoppla, was war das? Eine unbedachte Interviewäußerung des Heiligen Vaters oder fängt er jetzt auch noch an, nicht nur die Kirche zu verändern, sondern sogar Jesus zu korrigieren? Wohl schon lange wurde nicht mehr so intensiv über das Vaterunser und – hoffentlich – über das Gottesbild in der kirchlichen Verkündigung gesprochen wie in den letzten Wochen. Da macht der DOM natürlich gerne mit!

von Claudia Auffenberg

Die Diskussionen haben drei Dinge offenbart: Die Tatsache, dass sich auch die evangelische Kirche geäußert hat, machte deutlich, dass das Vaterunser kein katholisches Gebet ist. Es ist, genau genommen, nicht einmal ein christliches Gebet. Auch wenn es heute als das Gebet der Christenheit gilt, das über alle Konfessionsgrenzen hinweg gesprochen wird, muss man festhalten: Es ist ursprünglich ein jüdisches Gebet. Urheber ist der Jude Jesus aus Nazareth, er hat es seine jüdischen Jüngerinnen und Jünger gelehrt und die haben es als Erste überliefert. Man darf nicht vergessen: Jesus kannte keine Christen.

Weiterhin zeigt die Aufgeregtheit in der Diskussion, dass zumindest der katholischen und in Teilen auch der evangelischen Christenheit eine Art des Gebetes verloren gegangen ist, nämlich die des frei formulierten Gebetes. Ja, es ist großartig, sich in ein vorformuliertes Gebet zu hüllen und sich so in die lange Schar der Beterinnen und Beter vergangener Jahrhunderte einzureihen. Und wenn eine Gemeinde betet, ist es wichtig, dass es einen gemeinsamen Text gibt. Aber das Beten ist doch mehr als das korrekte Aufsagen eines auswendig gelernten Textes. Der Beter mit seinem Leben, seinen Fragen und Erfahrungen ist immer Teil des Betens.

Dies führt zum dritten Punkt: Es gibt – auch für das Vaterunser – keinen O-Ton Jesu. Im Neuen Testament finden sich schon zwei Varianten, bei Matthäus und bei Lukas. Gebetet wird heute die Version des Matthäus. Beide Evangelisten, das ist heute sicher, kannten eine Sammlung von Zitaten Jesu, die sogenannte Logienquelle, die sie in ihren Evangelien verarbeitet haben. Darin gibt es Passagen, die sich in den anderen beiden Evangelien nach Markus und bei Johannes nicht finden, darunter große Teile der Bergpredigt und somit das Vaterunser. Diese Logienquelle ist heute verloren und nur in den beiden Evangelien überliefert. Die ältesten Textzeugen der Evangelien liegen heute in griechischer Sprache vor, Jesus hat aber wohl aramäisch gesprochen. Den Text zurück zu übersetzen, wäre nicht so kompliziert, aber man weiß eben nicht genau, welchen Wortlaut man dazu nutzen könnte.

Dennoch: Mit dem Vaterunser sind wir Jesus sehr nahe, seiner Gedankenwelt, seinem Gottesbild, seiner Art zu beten. Daher lohnt es, sich damit intensiv zu befassen. In den nächsten Wochen soll das an dieser Stelle geschehen mithilfe des Werkes von Prof. Hubert Frankemölle. Der katholische Theologe ist ein ausgewiesener Kenner auch der jüdischen Theologie, der jüdisch-christliche Dialog ist ihm ein Herzensanliegen. Betrachten wir also dieses jüdische Gebet der Christen genauer, um noch besser zu verstehen, was „Jesus uns zu beten gelehrt hat“.

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