13.03.2020

Ist das heute noch zeitgemäß?

In der Seitenkapelle hängen die Bilder von Herlinde Koelbl. Foto: Auffenberg

Paderborn. „Betet, Schwestern und Brüder, dass mein und euer Opfer Gott, dem allmächtigen Vater, gefalle“, betet der Priester vor dem Gabengebet und die Gemeinde antwortet routiniert: „Der Herr nehme das Opfer an…“– derart routiniert, dass viele über dieses eine Wort vielleicht gar nicht mehr stolpern: Opfer.

von Claudia Auffenberg

Es ist ein Wort, das den Blick nach unten lenkt. Opfer, das sind im allgemeinen Sprachgebrauch doch die Gefallenen, die Gestürzten, die, über die andere hergefallen sind. Die Ohnmächtigen, die Schwachen, vielleicht sogar die Schwächlinge. Die sich nicht wehren konnten. Manchmal sind es auch die Dauerbeleidigten, die, gegen die immer alle sind, angeblich jedenfalls.

Aber es ist auch ein Wort, das den Blick nach oben lenken will. Zu Gott. Denn es ist auch ein Wort der Frömmigkeit. Das Verb „opfern“ hat seinen Ursprung in der Beziehung zu Gott. Ihm wird geopfert. So wird es bis heute gebetet und gesungen. Aber nicht mehr praktiziert, oder? Was ist das eigentlich in der Liturgie?

Was ist das Opfer?

Ja, genau, was ist das eigentlich, das Opfer? Diese Frage durchzieht in der Fastenzeit eine Predigtreihe in der Paderborner Marktkirche, die auch die Universitätskirche der Stadt ist. Hinter der Reihe stehen Studierendenpfarrer Dr.Nils Petrat und der Dogmatikprofessor Josef Meyer zu Schlochtern. Und wenn er beteiligt ist, dann gibt es immer auch Kunst. In diesem Fall hat er drei Fotos der berühmten Fotografin Herlinde Koelbl in die Kirche gehängt, zum Glück hängen sie in einer Seitenkapelle, dann sieht man sie nicht gleich, wenn man reinkommt. Herlinde Koelbl kennen viele von ihrem spektakulären Fotoprojekt „Spuren der Macht“, bei dem sie unter anderem Angela Merkel und Joschka Fischer über Jahre hinweg immer wieder porträtierte.

Um 1990 war sie auf Sardinien und lernte dort die Hirten kennen. Weil sie vorher an einem Buch zu jüdischen Porträts viel im Alten Testament, besser dem Ersten Testament gelesen hat und ihr da das Thema Opfer begegnet war, erkannte sie im Tun der Hirten die Geschichte von Kain und Abel. Denn Hirten hüten die Schafe nicht nur, sie schlachten sie auch. Koelbl durfte die Hirten bei ihrer Arbeit begleiten und fotografieren. Entstanden ist dabei der Bilderzyklus „Opfer“, drei Bilder daraus sind in der Marktkirche zu sehen.

Bilderzyklus „Opfer“

Das sind nur wenige, könnte man sagen, aber man weiß wirklich nicht, ob man mehr sehen möchte. Das erste Bild zeigt ein Lämmchen, das mit gefesselten Beinen auf der Wiese liegt, das zweite zeigt ein Lamm, unmittelbar nach dem seine Kehle durchschnitten worden ist und das dritte zeigt drei Schafskörper, die am Baum zum Ausbluten hängen. Meyer zu Schlochtern ist als Kind auf einem Bauernhof groß geworden. Er hat solche Dinge noch erlebt, die unsereins, ein etwas verpimpeltes Stadtkind, ziemlich schockieren. Vor allem das gefesselte Lämmchen bricht einem das Herz.

Grausames Geschehen

Was also soll nun diese Reihe, sollen diese Bilder? Ist das alles denn noch zeitgemäß? Nun, sagt Meyer zu Schlochtern, das sei genau die Frage. Aber man müsse sich dem Thema stellen. Wenn er als Priester am Altar das Wort „Opfer“ ausspricht, dann meint er Hingabe. Und die Liebe Christi, in die wir alle eingehen. Na gut, aber dafür hätte man doch auch schönere Bilder finden können: pflegende Angehörige, Ehrenamtliche, die sich „aufopfern“, eine Mutter, so was. Meyer zu Schlochtern widerspricht: Die Kreuzigung Jesu sei ein grausames Geschehen gewesen und die biblischen Texte seien nun mal so, wie sie sind. Dem müsse man sich heute stellen.

Damals, die ersten Christen, die sich selbst noch gar nicht als Christen gesehen haben, standen vor der Frage, warum dieser Jesus sterben musste. Und vor ihrem kulturellen Hintergrund war eine halbwegs verständliche Erklärung die vom Sühnetod Jesu. Aber können wir heute noch so argumentieren? Musste vor 2000 Jahren einer grausam sterben, weil wir als Kinder mal einen Apfel geklaut haben? Es könnte sein, sagt man noch zu Professor Meyer zu Schlochtern, dass die Predigtreihe die Leute irritiert. Er nickt: „Hoffentlich.“

 

Info

Die Gottesdienste werden jeweils am Sonntagabend um 19.00 Uhr in der Universitäts- und Marktkirche gefeiert, auch außerhalb der Fastenzeit.

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