16.06.2017

Gesegnete Mahlzeit

Foto: mosaiko/photocase

Als das Volk Israel vor den Toren des gelobten Landes steht, schickt Mose Kundschafter hinein. Sie sollen mal nachsehen, was einen drinnen so erwartet. Zurück kommen sie mit sehr unterschiedlichen Bewertungen.

von Claudia Auffenberg

Die einen bringen riesige Früchte mit, erzählen von Milch und Honig, andere wiegeln das Volk auf mit angsteinflößenden Erzählungen von Riesen, die einen selbst klein wie Heuschrecken machen. Im Sinne dieser Geschichte war auch Pfarrer Dietmar Röttger aus dem Erzbistum Paderborn als Kundschafter unterwegs: zum einen im ehemals gelobten Land, so muss man die USA wohl derzeit nennen, und bei den Nachbarn in Frankreich (Der Dom berichtete). Da inzwischen der Computer erfunden ist, konnte Röttger – anders als die Kundschafter des Mose – seine Eindrücke in regelmäßigen Abständen per E-Mail in die Heimat schicken. In der vergangenen Woche ist er nach Deutschland zurückgekehrt, seinen letzten Rundbrief hat er kurz vorher geschickt. Ein Thema darin ist das liebe Geld, von dem die Kirche in Frankreich im Gegensatz zur deutschen Kirche wenig hat.

Die französischen Kirchengebäude gehören in der Regel nicht der Kirche. Für ihre Erhaltung ist der Stadtrat verantwortlich. Röttger schreibt: „Dies hat zur Folge, dass der Zustand der Kirchen sehr unterschiedlich ist. Einige Kirchen, wo Bürgermeister und Gemeinderat Wert darauf legen, sind wirklich schön und in gutem Zustand. Bei anderen muss man schon eine Vorliebe für morbiden Charme mitbringen, um sich wohlzufühlen.“

Ein Schatten der wohlhabenden deutschen Kirche sei gewiss, so Röttger, „dass sich auch in den Pfarreien inzwischen eine Bezahl-Mentalität eingestellt hat, die nicht immer gut ist. Dabei geht es nicht um fairen Lohn für geleistete Arbeit, aber um die Haltung gerade in Bezug auf praktische Hilfsdienste. Ja, es ist wohl auch mehr eine kulturelle als eine kirchliche Frage. Und wir sehen in unseren Pfarreien ja, dass Reinigungsarbeiten, Pflege von Außenanlagen etc. inzwischen outgesourct werden und von Firmen übernommen worden sind. Dies geht hier schlichtweg nicht, da wenig Geld dafür da ist. [] Dafür habe ich aber sehr viele hoch engagierte Leute rund um die Kirche gesehen, die verschiedene kleine oder auch größere Arbeiten ehrenamtlich und in Eigenleistung übernehmen. Der Lohn ist der Kaffee und die Kekse in der Pause. Das schafft ein anderes Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Zusammenwirkens. Ich sehe darin zumindest eine Anfrage an unsere Praxis“.

Und noch eine Auswirkung hat die Armut der Kirche: Die Priester haben ein sehr niedriges Gehalt und werden daher oft von Gemeindemitgliedern zum Essen eingeladen. „Da Essen nicht nur Nahrungsaufnahme bedeutet, sondern mindestens drei Stunden Konversation, ist der Tisch ein wirklicher Ort der Seelsorge. Der Wert des gemeinsamen Mahles, der uns als Christen ja in geistlicher Bedeutung klar ist, spielt jedenfalls in vielen Bereichen des Lebens in den Gemeinden eine Rolle. Man nimmt sich Zeit dafür! [] Der problematische Neben­effekt dieser ansonsten sehr wirksamen Art der Seelsorge findet sich allerdings in der Anzeige auf der Personenwaage im Badezimmer.“

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