06.12.2017

Eine von uns

In dieser Basilika, einer der größten Kirchen der Christenheit, wird das originale Gnadenbild verehrt. Foto: wolfgang122/pixabay

Manchmal ist man froh, dass man nicht beim Radio arbeitet, weil man sonst diesen Namen aussprechen müsste: ­Cuauhtlatoatzin. Wobei sie ihn in seiner Heimat Mexiko auch „nur“ Juan Diego nennen.

von Claudia Auffenberg

Dort ist er überall präsent: in Kirchen, in Geschäften, an Rückspiegeln aller Art, im öffentlichen und privaten Raum. Denn er ist Teil des wohl berühmtesten Gnadenbildes der Welt, der Jungfrau von Guadalupe. Unter ihren Füßen reckt er die Hände empor, er trägt die Jungfrau auf Händen.

Juan Diego war ein Indianerjunge, sein Leben spielte sich in der Stadt ab, die heute Mexiko-Stadt heißt, und ist ein bedeutender Abschnitt, vielleicht der entscheidende für die Christianisierung Lateinamerikas. Der Legende nach wird er um 1474 geboren. 1514 entdeckt Christoph Kolumbus Amerika und für die Indianer beginnt eine blutige Zeit. 1524 wird Cuauhtlatoatzin zusammen mit seiner Frau getauft. Die entscheidende Episode ereignet sich im Dezember 1531. Auf einem Hügel, auf dem die spanischen Eroberer zuvor ein Heiligtum der aztekischen Göttin Tonantzin zerstört hatten, erscheint Maria dem Juan Diego und beauftragt ihn, den Bischof um den Bau einer Kirche zu bitten. Der Bischof, ein Franziskaner, ist natürlich skeptisch und vermutet die Wiederbelebung des heidnischen Kultes. Nach einer zweiten Erscheinung fordert er Beweise. Maria liefert. Auf dem schneebedeckten Hügel wachsen Rosen, Juan Diego pflückt sie, packt sie in seinen Umhang und bringt sie dem Bischof. Als er den Umhang öffnet, um die Rosen zu zeigen, ist auf der Innenseite das Bild einer Frau zu sehen. Der Bischof erkennt darin die Jungfrau von Guadalupe, einem spanischen Gnadenbild, und ist überzeugt. Die Kirche wird gebaut, Juan Diego darf dort als Eremit sein Leben verbringen. Er stirbt 1548. 2002 wird er von Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen, am 9. Dezember wird er gefeiert.

Der Umhang ist heute in der 1974 gebauten, riesigen Basilika zu sehen. Dorthin werden am 12. Dezember, am Fest der Jungfrau von Guadalupe, Millionen Pilger kommen, teils auf Knien. Der Verkehr rund um die Basilika bricht traditionell zusammen an diesen Tagen. Drinnen sorgen Laufbänder, wie man sie von Flughäfen kennt, dafür, dass die Gläubigen vor dem Gnadenbild nicht stehen bleiben.

Um das Bild ranken sich zahlreiche spannende, aber letztlich bedeutungslose Mythen: Angeblich haben wissenschaftliche Untersuchungen seine übernatürliche Herkunft bewiesen und angeblich ist in den Augen der Jungfrau ein Männergesicht zu sehen, das angeblich Juan Diego zeigen soll.

Wer der Jungfrau ins Gesicht schaut, sieht in der Tat etwas Aufregendes: eine indianische Frau. Maria erscheint als eine aus dem Volk der Eroberten, nicht aus dem der Eroberer. Die Mutter Jesu ist eine von euch, lautet da wohl die Botschaft. Einen ähnlichen Gedanken findet man schon im Alten Testament. Als Jakob aus seinem Traum mit der Himmelsleiter erwacht, erkennt er: „Wirklich, der Herr ist an diesem Ort und ich wusste es nicht“ (Gen 28,16). Niemand kann Gott irgendwo hinbringen, aber sehr wohl überall entdecken (helfen).

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