25.04.2019

Ein Zuhause zum Wohlfühlen

Die Brüder Dominik (r.) und Jean mögen sich sehr. Foto: Herrmann

Berlin. „Uaaah!!!“ Mit großem Anlauf und einem lauten Schrei springt Dominik über die orange Rampe rücklings ins Bällchenbad. Gleich dahinter macht sein Bruder Jean einen weiten Satz ins bunte Vergnügen. Max liegt derweil cool und gelassen zwischen all den grünen, blauen, roten und gelben Plastikkugeln. Nur sein Kopf und seine Ellenbogen schauen heraus. Spielzeit im Sportraum der Heilpädagogischen Wohneinrichtung für Kinder und Jugendliche am Michaelkirchplatz in Berlin-Mitte. Vor einer knappen Stunde kamen Jean, Dominik und Max aus der Schule. Nun toben die Jungs durchs Bällchenbad und übers Trampolin. Danach liefern sie sich ein Match am Tischkicker. Mittendrin Judith Neyen, Anja Richter und Florian Seufert. Die Heilerziehungspflegerin, die Erzieherin und der Sozialarbeiter spielen mit und passen auf, dass nichts passiert.

Seit drei Jahren leben Dominik und Jean bereits in der Einrichtung der Caritas Familien- und Jugendhilfe. Ihre Eltern, selbst in einer schwierigen Lebenssituation, kamen mit der geistigen Beeinträchtigung der beiden Söhne kaum zurecht. Die elf und sieben Jahre alten Brüder sind in ihrer Entwicklung noch nicht so weit wie andere Kinder ihres Alters und zeigen sich besonders verhaltensauffällig. Die beiden Jungs teilen sich nun ein großes Zimmer und wachsen mit sechs weiteren Kindern und Jugendlichen wie in einer großen Familie auf. 16 Mädchen und Jungen leben zurzeit in zwei Wohngruppen in der Heilpädagogischen Wohneinrichtung am Michaelkirchplatz.

„Wir sind eine Wohnstätte für Kinder und Jugendliche von sechs bis 21 Jahren mit geistiger Behinderung“, erklärt Simone Bachstein von der Hausleitung. „Unsere Bewohner bringen einen ausgeprägten Autismus mit oder sind traumatisiert, haben das Down-Syndrom oder Epilepsie, kämpfen mit den Folgen einer Sauerstoffunterversorgung bei ihrer Geburt oder eines Alkohol- und Drogenmissbrauchs ihrer Mutter während der Schwangerschaft.“ Hinzu komme oftmals eine schwierige Situation im Elternhaus, ­erläutert die Heilerziehungspflegerin. Das reiche von überforderten Eltern über Scheidungs- und Trennungsprobleme bis hin zu Gewalt und Missbrauch. Dennoch: „Ziel ist immer, die Eltern in alles mit einzubeziehen“, meint Bachstein.

Marco Riccardi zieht ein großes blaues Kissen in die geräumige Wohnküche. Benjamin lässt sich nicht lange bitten und legt sich bequem auf den Bauch. Der Erzieher gibt ihm noch eine Plastikgitarre, auf der er in aller Ruhe herumzupft. „Benjamin liebt es, hier mitten in der Wohngruppe zu liegen, wo ständig Leute vorbeikommen und etwas passiert“, meint Riccardi. Benjamin kann nicht sprechen. Er kam mit dem Down-Syndrom zur Welt und braucht bis heute sehr viel Betreuung.

Dominik ist der Erste, der vom Duschen wiederkommt. In Schlafanzug und Bademantel hilft er Riccardi, das Abendbrot vorzubereiten und den langen Holztisch zu decken. Den Salat, den Dominik mit Himbeerdressing begießt und kräftig durchmischt, haben die Jugendlichen der Wohngruppe gemeinsam am Nachmittag geschnitten.

Mithelfen und sich einbringen, das gilt für alle Bewohner. Denn jede Wohngruppe organisiert ihren Alltag selbst. Unterstützt von ihren Betreuern, gehen die Kinder und Jugendlichen einkaufen. Sie kochen gemeinsam, kümmern sich um ihre Wäsche, helfen mit beim Saubermachen. Das Ziel ist es, dass die Bewohner je nach ihren Möglichkeiten all das lernen, was sie auch später einmal allein können müssen. Die Kleineren bekommen beigebracht, sich selbstständig zu waschen und anzuziehen, den Tisch zu decken und beim Kochen mitzuhelfen. Bei den Größeren geht es darum, Wege allein zu bewältigen, zum Beispiel allein zum Arzt oder zur Schule zu fahren, oder einzukaufen und dabei richtig mit dem Geld umzugehen. „Unser Ziel ist es, die Bewohner so weit wie möglich zur Selbstständigkeit zu erziehen“, betont Bachstein, „damit sie später vielleicht einmal fähig sind, in einer eigenen Wohnung mit oder ohne Unterstützung zu leben.“

Bis dahin allerdings sollen sich die Kinder in der Wohnstätte am Michaelkirchplatz wohlfühlen. „Wir tun alles dafür, den Kindern ein gutes Zuhause zu geben.“ Vieles jedoch ist von Spenden abhängig. Besonders was die Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen betrifft, braucht die Einrichtung Unterstützung. Der eigene Spielplatz direkt vor der Haustür oder der Computerraum, aber auch individuelle Spielsachen oder eine mehrtägige Urlaubsfahrt im Sommer: Ohne zusätzliche Spendengelder bleibt vieles für die Kinder und Jugendlichen unmöglich.

Mit der Gabe der Erstkommunionkinder, die an das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken geht, wird unter anderem diese Einrichtung unterstützt. „Diese Kinder ­tragen ein sehr schwieriges Schicksal, und das für ihr gesamtes Leben. Durch die Gaben können auch diese Kinder erfahren, dass sie gewollt sind, dass sie geliebt werden und dass sie von Jesus angenommen sind. Die Wohneinrichtung ist ein wichtiges Zeugnis der Nächstenliebe und des gelebten Glaubens mitten in der Großstadt Berlin. An dieser Stelle möchte ich Danke sagen: Danke an alle, die sich in der Wohneinrichtung engagieren und den Kindern zeigen, dass sie geliebt werden. Danke sage ich auch allen Kommunionkindern für ihre wichtige und ein kleines Stück die Welt verändernde Hilfe“, sagte der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Monsignore Georg Austen.

Weitere Texte und Bilder zum Thema finden Sie in der Printausgabe des Dom Nr. 17/2019 ab Seite 8

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