01.08.2019

Ein Stückchen Himmel auf Erden

Gänsehaut-­Moment: Wenn der Schrein während der Vesper in den Hochchor getragen wird, erklingt der Libori-­Tusch. Fotos: Wiedenhaus

Paderborn. Einen Libori-Auftakt mit hochsommerlichen Temperaturen, zahlreichen Gästen und deutlichen Worten von Erzbischof Hans-Josef Becker zur Situation der Kirche und zum Auftrag der Christen erlebte Paderborn am vergangenen Wochenende.

von Andreas Wiedenhaus

„Guck mal, Papa, ganz aus Gold!“ Der kleine Junge am Straßenrand ist so fasziniert, dass er für diesen Moment sogar das große Eis, das er in seiner rechten Hand hält, vergisst. Er hat nur noch Augen für das, was da gerade direkt vor ihm geschieht.
„Das ist der Libori-Schrein“, sagt der Vater dem Kleinen und beugt sich zu ihm herunter. Dann erklärt er seinem Sohn, dass das die Prozession ist, die aus dem Dom in Richtung Rathaus zieht.
Vielleicht waren es Momente wie dieser, die Erzbischof Becker im Sinn hatte, als er in seiner Predigt im Pontifikal­amt am Sonntag davon sprach, dass das Fest des Bistumspatrons alljährlich „Lebensfreude und Glaubensfreude“ ausstrahle und die Tage von lieb gewordenen Formen der religiösen und der säkularen Festesfreude geprägt seien.
Allerdings dürfe man dabei nicht vergessen, so der Erzbischof, dass diese Freude auf Skepsis treffe, auf Ängste und Zweifel „nicht zuletzt wegen verspielten Vertrauens in unsere Kirche“. Es sei bekannt, wie sich Enttäuschung und Resi­g-nation in und über die Kirche ausbreiten würden, fuhr der Erzbischof in der Predigt fort.

„Aber wir kommen nicht weiter, wenn wir in das allgemeine Gejammer über die schlechten Zeiten einstimmen und das, was da ist, pauschal mies machen“, stellte Becker klar. Denn Resignation stehe im klaren Widerspruch zum Auftrag der Christen, wie ihn Jesus selbst formuliert habe: „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt!“
Die Konsequenz daraus: „Wir Christen haben der Welt jenes Licht zu geben, das sie aus sich selbst nicht hat und das sie von niemandem sonst bekommt. Versagen wir uns dieser Berufung, dann sind wir überflüssig.“

Also dürfe die Kirche sich nicht damit zufrieden geben, ein „stilles, bescheidenes ‚­Kirchenlicht‘“ zu sein. Eine solche Einstellung sei gefährlich, weil sie sich in den Gegebenheiten einrichte und so das Evangelium verrate. „Was wir als Christen sind, ist nicht in unser Belieben gestellt. Es geht nicht um das, was wir gern sein möchten. Es geht um das, was wir von unserem Ursprung her sind“, erinnerte Erzbischof Becker.
Begonnen hatten die Feierlichkeiten zu Ehren des Bistumspatrons am vergangenen Samstag mit der Pontifikalvesper, in deren Mittelpunkt die Erhebung der Liborius-­Reliquien stand.
„Himmel und Erde sollen sich in den kommenden Tagen berühren und verbinden!“ Mit diesen hoffnungsvollen Worten hatte der Erzbischof die zahlreichen Gläubigen im Dom und die Gäste aus der Weltkirche begrüßt und sie mit Blick auf das diesjährige Libori-Leitwort „Im Himmel und auf Erden“ auf die kommenden Festtage eingestimmt.

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