02.12.2016

Die Aufblüherin

Eine Barbara aus dem 18. Jahrhundert. Diese Figur stammt aus der Sammlung Anton Ochsenfarth und befindet sich heute im Diözesanmuseum Paderborn. Foto: Benjamin Krysmann

Es gibt Heilige, die hat es gar nicht gegeben. Und doch ist das, wofür sie stehen, wahr – und wichtig. Die heilige Barbara gehört in diese Kategorie.

von Claudia Auffenberg

Sie ist eine der populärsten Heiligen, mancherorts werden sogar Reliquien von ihr verehrt, aber die Forschung sagt: Wahrscheinlich ist sie keine historische Figur. In den Legenden über sie verdichtet sich aber eine Sehnsucht, die wohl dem Menschen zu allen Zeiten und in allen Völkern innewohnt und die in vielen Bräuchen gepflegt wird: die Sehnsucht nach dem „Leben-­Dürfen“, nach dem Aufblühen.

Dargestellt wird Barbara oft mit einem Turm an der Seite oder im Arm. Das ist natürlich kein Barbie-Schlossturm, kein Spielzeug, sondern der zentrale Ort ihrer Geschichte. Dort nämlich hat ihr Vater sie eingesperrt, um die schöne und ungemein scharfsinnige Frau am Heiraten und/oder am Christsein zu hindern. Genutzt hat es nichts. Die Mauern konnten ihren Weg zu Christus nicht aufhalten. Auch alle späteren Foltereien, die sie über sich ergehen lassen musste, haben ihr nichts wirklich anhaben können. Sie haben eher den Folterern geschadet. Der Vater, der sie am Ende eigenhändig erschlagen hat, wurde unmittelbar danach vom Blitz getroffen. Aus diesem Grund machte man sie zur Patronin der Artillerie, was natürlich aus heutiger Sicht etwas merkwürdig anmutet. Heute verbindet man mit Barbara vielmehr die Zweige, die am 4. Dezember abgeschnitten und ins Haus geholt werden, damit sie möglichst an Weihnachten blühen. Damit ist ein alter Orakelbrauch christianisiert worden, den z. B. junge Mädchen nutzten, um unter mehreren Verehrern den richtigen zu finden. Sie haben die Namen der Herren jeweils in einen Zweig geritzt und der, dessen Zweig als erster aufblühte, sollte der Zukünftige sein.

Für den Brauch der Barbarazweige kann man aber auf die Heilige selbst zurückverweisen. Denn in ihrer Turmgefangenschaft soll sie kurz vor ihrem Tod, um den sie wusste, einen verdorrenden Kirschzweig mit einem Tropfen Wasser aus ihrem Trinknapf gewässert und dazu gesagt haben: „Du schienst tot, aber bist aufgeblüht zu schönem Leben. So wird es auch mit meinem Tod sein. Ich werde zu neuem, ewigen Leben aufblühen.“

In Zeiten wie diesen lohnt noch ein kurzer Blick auf ihren Namen, der etwas mit barbarisch zu tun hat. Der Theologe und Volkskundler Manfred Becker-Huberti schreibt dazu: „,Die Fremde‘ wäre eine bloß höfliche Übersetzung, ,die wilde, ungebildete Andere‘ trifft den Sinn eher. Barbara ist wohl ursprünglich kein Rufname, sondern ein Spitzname, der dem wirklichen Rufnamen hinzugefügt wurde: Barbarin. Die Heilige wird gekennzeichnet als eine Anders­artige, nicht Eingegliederte, die auf die Menschen fremd wirkte. Sie war in ihrer damaligen Gesellschaft wohl eine Geächtete.“

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