31.01.2018

Dein Wille geschehe

Alles, was dem Leben dient, erfüllt den Willen Gottes. Foto: inkje/photocase

Im vierten Teil unserer Reihe zum Vaterunser geht es um die Bitte, von der eigentlich niemand so genau weiß, wo­rum es geht: Was ist bitte der Wille Gottes?

von Claudia Auffenberg

Das Vaterunser ist in zwei Evangelien überliefert, im Lukas­evangelium und bei Matthäus. In der Liturgie wird die Matthäusversion gesprochen und nur hier gibt es diese Bitte. Die Formulierung „Dein Wille geschehe“ verwendet der Evangelist im Vergleich zu seinen „Kollegen“ relativ oft. Der Wille Gottes ist nach Matthäus das entscheidende Kriterium für die Jüngerschaft Jesu. Nicht, wer blutsverwandt ist, gehört dazu, sondern, wer den Willen des Vaters erfüllt, betont er einmal.

Umso drängender ist die Frage: Was ist der Wille Gottes? Was heißt es, ihn zu tun? Es wäre doch wunderbar einfach, wenn es irgendwo einen Regelkatalog gäbe, in dem alles schön nachzulesen ist. Nun, solche Kataloge gibt es: Im Alten Testament finden sich mehrere Hundert Gesetze, von denen die Christen glauben, dass sie für sie nicht mehr gelten, weil der Herr Jesus doch die allesamt abgeschafft hat und das Christentum, anders als das Judentum, keine Gesetzesreligion ist, oder? Dazu ist zu sagen, dass zumindest die katholischen Christen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil einen großen Teil ihres täglichen Lebens damit verbracht haben, die Gebote der Kirche zu erfüllen, und sich dadurch einigermaßen auf der richtigen Seite fühlten.

Aber genau hier droht die falsche Fährte. Jesus selbst, so ist es in der Bergpredigt zitiert, hat die Tora nicht abgeschafft. Ihm geht es vielmehr um ein neues Verständnis. Es geht nicht darum, Dinge zu unterlassen, weil sie verboten sind, sondern, weil man sie selbst als falsch erkannt hat. Der Wille Gottes ist keine Ansammlung von Paragrafen und Ausführungsbestimmungen, die bis zur dritten Stelle hinterm Komma alles regelt und die man penibelst einzuhalten hat. Abzulesen ist der Wille Gottes in der Schöpfung. Denn alles, was es gibt, ist entstanden, weil er es wollte. Der Theologe Prof. Hubertus Frankemölle, auf den diese Reihe zurückgeht, schreibt dazu: „Sich der Schöpfungsordnung Gottes gemäß zu verhalten, erfordert situationsgemäßes Verhalten, das von der Tora nicht eingeholt werden kann.“ Die Tora regelt – wie bei Gesetzen üblich – was nicht zu tun ist. Was aber zu tun ist, das muss der Mensch jeweils entscheiden und dafür braucht er die richtige Haltung, nämlich das Vertrauen auf die Zusage Gottes seiner grundsätzlichen Begleitung und Gegenwart. „Dein Wille geschehe“, so betet Jesus im Garten Gethsemane, in einer Situation, in der nichts anderes mehr geht als Vertrauen.

Wie also erfüllt man den Willen Gottes? Grundsätzlich kann man sagen: Alles, was dem Leben dient, erfüllt den Willen Gottes.

Doch am Ende bleibt eine Frage offen: Warum geschieht der Wille Gottes noch nicht überall, warum gibt es offenkundig immer noch Kräfte, die gegen ihn wirken und das mit Erfolg? Vielleicht werden wir es eines Tages erfahren.

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