10.02.2017

„Das ist der ursprüngliche Karneval“

Pipi Langstrumpf war im vergangenen Jahr das Motto der KDFB-Karnevalssitzung in Delbrück. Die Frauen der Spielschar setzten die Vorgabe beispielhaft um. In diesem Jahr lautet das Motto: Märchenwald. Man darf gespannt sein… Foto: KDFB

Delbrück. Feiern Frauen anders Karneval? „Ja“, sagen die Frauen vom Katholischen Deutschen Frauenbund in der ostwestfälischen Karnevalshochburg Delbrück. Diese andere Fastnachtskultur prägt die Karnevalssitzung des Frauenbundes. Männer werden zu diesem Ereignis nur im Ausnahmefall zugelassen.

von Karl-Martin Flüter

Am 20. Februar, Punkt 19.31 Uhr, ist es wieder so weit. Fast 600 Frauen und einige wenige männliche Ehrengäste werden dann in der Delbrücker Stadthalle drei Stunden lang Sketche, Büttenreden und Tanz­einlagen erleben. Nur mit Glück sind die letzten Besucher an ihre Karten gekommen. Der Großteil der Tickets ist einige Wochen zuvor innerhalb einer halben Stunde verkauft worden. Schon Stunden vor dem Vorverkaufsstart hatte sich wie immer eine Schlange vor der Verkaufsstelle im Johanneshaus gebildet. So beliebt ist der Delbrücker Frauenkarneval.

„Märchenwald“ lautet in diesem Jahr das Motto der Sitzung – und „frau“ darf wieder viele schöne und fantasievolle Kostüme erwarten. Der Aufwand, den die Teilnehmerinnen dafür betreiben, unterscheidet den Frauenkarneval vom üblichen Fastnachtstreiben. Andernorts reicht eine Pappnase oder ein Hütchen auf dem Kopf, bei den Frauen bestimmen liebevolle Verkleidungen das Bild. Auffällig sind auch die vollgepackten Tische in der Delbrücker Stadthalle. Die Frauen bringen ihr Festessen mit und geben sich Mühe, kulinarisch einfallsreich für die stundenlange Sitzung vorzusorgen – auch darauf würde kein Mann kommen.

Es ist, als würden die Frauen den Karneval ernster nehmen. Zieht man die Anteile der Fastnacht ab, die eher als Auswüchse des närrischen Treibens gelten – übermäßigen Alkoholgenuss, zotige Witze, auch die plumpe Anmache – hätte man den typischen Delbrücker Frauenkarneval zusammen. Kein Wunder, wenn die Frauen Männer nur im Ausnahmefall in die Halle lassen. „Es ist etwas anderes, wenn eine Frau Witze über Frauen macht, als wenn sich ein Mann an diesem Thema versucht“, sagt Marielies Thiele, eine aus der Spielschar, die die Sitzung vorbereitet und durchführt.

„Das ist Karneval im ursprünglichen Sinne“, meint Maria Lichtenauer. Über sie sagen die anderen aus der Spielschar: „Sie hat den Hut auf.“ Seit vielen Jahren zieht Maria Lichtenauer im Hintergrund die Fäden, ist maßgeblich am Programm beteiligt und steht während der Sitzung auf der Bühne, um durch das Programm zu führen. Das Ganze ist hochprofessionell. „Das läuft alles mittlerweile wie am Schnürchen“, sagt sie über die Organisation. Nur die Ideen und Texte machen Maria Lichtenauer noch Sorgen. Deshalb liegen auch nachts Block und Kuli neben ihrem Bett. Es könnte ihr ja etwas einfallen.

Damit das Programm am 20. Februar sitzt, wird viel geprobt. Im November tritt die Vorbereitung in die heiße Phase. Dann werden Themen und Künstler ausgewählt. Fast ausschließlich sind sie Delbrücker Eigengewächse. Wer den Sprung auf die Bühne schaffen will, muss den anderen vorspielen. „Das sind die schlimmsten Momente“, gesteht eine. Die Frauen aus der Spielschar sind strenge Kritikerinnen. Das dient der Qualität, die später vom Publikum in der Stadthalle gewürdigt wird. „Bei uns hört das Publikum zu, da wird jeder Auftritt aufmerksam verfolgt“, betonen die Frauen. „Dass die Leute an der Theke reden oder während des Programmes laut miteinander reden, kommt bei uns nicht vor.“

Frauenkarneval wird landauf, landab in den Dörfern gefeiert, in denen katholische Vereine wie die Caritas-Konferenzen oder die kfd aktiv sind. Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) in Delbrück machte da keine Ausnahme. Schon 1953 bestimmt die Fastnacht das Rahmenprogramm bei den Generalversammlungen des KDFB. Es wurde zum Punschtrinken eingeladen, die Frauen vergnügten sich bei Glühwein und Gebäck. Im Laufe der Jahre nahm der karnevalistische Anteil zu, ab 1956 wurde Karneval eigenständig gefeiert. 1969 nahmen 150 Frauen teil, in den 1970er-­Jahren waren es schon 300 weibliche Jecken, die zum ­KDFB kamen.

Seitdem hat die Beliebtheit der KDFB-Sitzung stetig zugenommen. Viele Besucherinnen der Kultveranstaltung kommen aus den umliegenden Gemeinden. Die besondere Qualität des Programmes hat sich weit über Delbrück hi­naus he­rumgesprochen.

Übrigens nicht nur bei Frauen: Auch die Männer – Pfarrer, Bürgermeister, Prinz Karneval und einige Feuerwehrleute –, die in die Stadthalle gelassen werden, sind hellauf begeistert. Bei einigen ist die Begeisterung so groß, dass sie für einen Tag das Geschlecht wechseln, um mitfeiern zu können. So wurde vor Jahren ein ehemaliger Delbrücker Karnevals­prinz erwischt, der sich als Tänzerin der Tanzgarde verkleidet hatte, um dabei zu sein. Der Schwindel flog erst auf der Bühne auf: Auch als Tanzmariechen war der Prinz sehr überzeugend.

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