19.08.2016

Bekenntnis zu Wertekanon

Es ist bitter, diese Entwicklung als Realität anzuerkennen. Denn im vergangenen Jahr haben so viele Menschen wie nie zuvor in einem Jahr bei uns Zuflucht gesucht – gerade weil Deutschland ein sicherer und demokratischer Rechtsstaat ist. Und seit dem vergangenen Jahr erleben wir eine Willkommenskultur, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte und die mich bis heute sehr berührt.

Die Zahl rechtsextremer Straf- und Gewalttaten hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Vor allem haben die Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte um ein Vielfaches zugenommen. Das zeigt uns: Das gesellschaftliche Klima in Deutschland wird rauer. Das Land driftet nach rechts. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gefährdet.

Es ist bitter, diese Entwicklung als Realität anzuerkennen. Denn im vergangenen Jahr haben so viele Menschen wie nie zuvor in einem Jahr bei uns Zuflucht gesucht – gerade weil Deutschland ein sicherer und demokratischer Rechtsstaat ist. Und seit dem vergangenen Jahr erleben wir eine Willkommenskultur, wie ich sie nicht für möglich gehalten hätte und die mich bis heute sehr berührt.

Die Flüchtlinge, die jetzt in unserem Land leben, brauchen weiterhin unsere Unterstützung. Aus der Erfahrung der Neunzigerjahre mit unseren damals neuen jüdischen Gemeindemitgliedern aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wissen wir: Je schneller die Neuankömmlinge Deutsch lernen und eine Arbeit finden, desto besser. Wir möchten, dass die, die Asyl erhalten, Bürger dieses Landes werden. Das bedeutet, unsere Wertvorstellungen und unsere Kultur anzuerkennen, die „kulturelle Erbschaft“ Deutschlands nicht auszuschlagen, wie Bundespräsident Joachim Gauck es ausgedrückt hat. Er hat gesagt: „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz.“

Null Toleranz für Antisemitismus, die Erinnerung an die Schoah, das Anerkennen der deutschen Verantwortung und das Eintreten für das Existenzrecht Israels – das sind für die jüdische Gemeinschaft zentrale Werte, die jeder Bürger in Deutschland verinnerlichen sollte – egal, welcher Herkunft und Religion.

Wenn die hohe Zahl an Flüchtlingen auch dazu führt, dass sich die gesamte Gesellschaft wieder stärker zu diesen Werten bekennt, dann haben wir alle etwas gewonnen!

Dr. Josef Schuster ist Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland

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