Ärztetag – Was heißt „Gleichheit“?

Beim Ärztetag zu „Gerechter Gesundheit“ erhielten 140 Teilnehmende Impulse aus den Bereichen Medizin, Ethik und Theologie. Unter anderem ging es darum, wie groß der wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen ist.

Professor Dr. Dr. Eckhard Nagel warnte vor der „Verselbstständigung, Verabsolutierung und normativen Überhöhung einzelner Rationalitäten“: „Die ökonomische Rationalität scheint in der Tendenz heutzutage überbewertet.“ (Foto: Thomas Throenle/Erzbistum Paderborn)
Professor Dr. Dr. Eckhard Nagel warnte vor der „Verselbstständigung, Verabsolutierung und normativen Überhöhung einzelner Rationalitäten“: „Die ökonomische Rationalität scheint in der Tendenz heutzutage überbewertet.“ (Foto: Thomas Throenle/Erzbistum Paderborn)
veröffentlicht am 18.11.2023
Lesezeit: ungefähr 3 Minuten

Beim Ärztetag zu „Gerechter Gesundheit“ erhielten 140 Teilnehmende Impulse aus den Bereichen Medizin, Ethik und Theologie. Unter anderem ging es darum, wie groß der wirtschaftliche Druck im Gesundheitswesen ist.

Paderborn (pdp). Angesichts der zunehmenden Knappheit von Ressourcen sowie ihrer Finanzierbarkeit sei die Prio­risierung von Gesundheitsleistungen schon mehrere Jahrzehnte aktuell, diagnostizierte Diözesan­administrator Monsi­gnore Dr. Bredeck in seiner Einführung zum diesjährigen Ärztetag unter dem Thema „Gerechte Gesundheit? – Priorisierung als (Krisen-)­Instrument in der Medizin“. An die Referentin und Referenten sowie die rund 140 Teilnehmenden richtete Bredeck die Frage: „Welche Faktoren müssen zwingend beachtet werden, damit eine Gleichbehandlung der einzelnen Patienten gewährleistet werden kann? Wie können angesichts der Priorisierung medizinischer Leistungen gerechte Entscheidungen getroffen werden, die die Gleichheit der Menschen wahren?“

Professor Dr. med. Giovanni Maio von der Universität Freiburg kennzeichnete in seinem Vortrag „Medizin als Hilfeversprechen – Über die Gefahr der Ökonomisierung für das Vertrauen in die Medizin“ den Beruf des Arztes als „freien“ Beruf im Gegensatz zu einem handwerklichen oder gewerblichen Beruf. „Entscheidungsfreiheit“ sei für die Tätigkeit eines Arztes unabdingbar – „Freiheit nicht als Privileg, sondern um im Sinne eines Patienten entscheiden zu können“, betonte der Professor für Bioethik und Medizinethik.

Ziel einer „Triage“: Möglichst viele Menschenleben zu retten

Professor Dr. Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin, sagte, dass „Vertrauen“ für das Arzt-Patienten-­Verhältnis wesentlich sei: „Wenn Patienten Ärzten vertrauen, dann verlassen sie sich darauf, dass ein Arzt sich kümmert, es ‚gut‘ mit ihnen meint – und zwar im Sinne des Patienten. Patienten vertrauen darauf, dass ein Arzt sein Wissen und Können im Sinne des Patienten einsetzt.“ Ein Arzt dürfe nicht in Ziel- oder Interessenskonflikte kommen, verlangte Professor Dr. ­Giovanni Maio, der auch Mitglied des Ausschusses für ethische und juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer ist.

In ihrem Vortrag „Die Priorisierung im Gesundheitswesen – moraltheologisch geboten?“ verdeutlichte Professorin Dr. theol. Kerstin Schlögl-­Flierl von der Katholisch-­Theologischen Fakultät der Universität Augsburg, dass die Sorge um die Gesundheit Ausdruck der Achtung der Würde des Menschen sei. Sie kennzeichnete die „Triage“ – die „Auswahl“ oder „Sichtung“ über die Dringlichkeit und Reihenfolge der Behandlung von Patienten, sodass alle die bestmögliche Versorgung erhalten – als „Krisen­instrument der Priorisierung“, sie sei eine „Rationierung in einer Ausnahmesituation“, verfolge primär das Ziel, Hilfe möglichst auf diejenigen zu konzentrieren, bei denen die Hilfe am besten hilft – Ziel einer „Triage“ solle sein, möglichst viele Menschenleben zu retten und die Todesfälle zu reduzieren.

Gesundheit: Soziales Fundament der Demokratie

Das Thema „Gesundheit als soziales Fundament der Demokratie“ beleuchtete Professor Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c. Eckhard Nagel. Der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth stellte „Gesundheit“ als ein transzendentales und konditionales „Gut“ vor, das – ebenso wie Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit – die Bedingung der Möglichkeit der Realisierung aller anderen Güter sei. Grundprinzipien des deutschen ­Gesundheitswesens seien Solidarität und Subsidiarität, durch Artikel 2 des Grundgesetzes sei geregelt, dass „jeder“ das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit habe.

Der Ärztetag im Erzbistum Paderborn ist ein interdisziplinäres Forum, um aktuelle oder grundsätzliche Fragen aus dem Bereich der medizinischen Ethik im Horizont des christlichen Menschenbildes zu reflektieren. „Die Kirche von Paderborn stellt sich damit ihrer pastoralen und sozial­ethischen Verantwortung, sich am Dialog der Wissenschaften und der gesellschaftlichen Leitbilder zum Wohle des Menschen zu beteiligen“, heißt es dazu vonseiten des Erzbistums.

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