Ohne Umwelt keine Wirtschaft – Eine Einschätzung von Helge Wulsdorf

Die Wissenschaft ist sich einig: Gelingt es nicht, die Erderwärmung zu begrenzen, hat dies enorme Auswirkungen auf Mensch und Natur. Ein entscheidender Faktor stellt die ­Wirtschaft da – und Geld kann der Hebel sein, diese in Richtung der Nachhaltigkeit zu lenken.

veröffentlicht am 17.11.2023
Lesezeit: ungefähr 5 Minuten

Die Wissenschaft ist sich einig: Gelingt es nicht, die Erderwärmung zu begrenzen, hat dies enorme Auswirkungen auf Mensch und Natur. Ein entscheidender Faktor stellt die ­Wirtschaft da – und Geld kann der Hebel sein, diese in Richtung der Nachhaltigkeit zu lenken.

Paderborn. Kaum etwas hat so viel Macht wie das Geld. Es kann für Katastrophen oder Weltrettungsaktionen verantwortlich sein. Es kann die Natur zerstören und es kann sie retten. An der richtigen Stelle kann Geld die Welt verändern. „Geld ist ein wirksamer Hebel, um Nachhaltigkeitsziele voranzubringen“, sagt Helge Wulsdorf. Der Theologe und Bankkaufmann ist Leiter für nachhaltige Geldanlagen bei der Bank für Kirche und Caritas (BKC) in Paderborn. „Wir wollen unsere Investments in Richtung Nachhaltigkeit lenken.“

Das Klimaschutzgesetz verpflichtet Deutschland dazu, bis 2045 klimaneutral zu sein. Laut einer KfW-­Studie kostet dieser Prozess Billionen, wofür auch private Investitionen mobilisiert werden müssen. Nachhaltige Geldanlagen sind ein essenzieller Bestandteil, um die Klimaziele noch zu erreichen. Doch was genau heißt überhaupt Nachhaltigkeit?

Helge Wulsdorf: „Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit“

„Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit“, sagt Wulsdorf. Es sei eine Frage der Generationengerechtigkeit. 2015 setzte die Weltgemeinschaft 17 globale Nachhaltigkeitsziele, die ­Sustainable ­Development ­Goals (­SDGs). Darunter fallen Aspekte wie menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, ­Maßnahmen zum Klimaschutz sowie bezahlbare und saubere Energie.

In der BKC wird Nachhaltigkeit großgeschrieben. „Wir sind Pionier auf dem Gebiet ethisch-­nachhaltiger Geldanlagen“, so Wulsdorf. „Von uns als Kirchenbank wird erwartet, dass wir nachhaltige Geldanlagen anbieten. Wer, wenn nicht wir, hat da die Kompetenz?“ In der Nachhaltigskeitsszene werden sie stark wahrgenommen und auch die Kunden der BKC, die aus kirchlichen und sozialen Kontexten stammen, haben ein überdurchschnittliches Interesse an Nachhaltigkeit. 

Die BKC investiert fast ausschließlich in die zukunftsfähige Wirtschaft. Was genau ein nachhaltiges Unternehmen ist, dafür hat die BKC einen Nachhaltigkeitsfilter mit Kriterien.

Über die Einhaltung der Kriterien

„Die Schnittmengen zwischen internationalen Nachhaltigkeitsregelungen und unseren Nachhaltigkeitskriterien sind sehr groß“, sagt Wulsdorf. „Wir haben ergänzend einige kirchliche Charakteristika, die über die gesamtgesellschaftliche Diskussion und den Rahmen der EU-­Gesetzgebung hinausgehen.“ Anders als andere Geschäftsbanken schließt die BKC auch Themen wie Abtreibung oder embryonale Stammzellenforschung aus. Aspekte wie die Todesstrafe oder Menschenrechtsverletzungen werden hingegen gesamtgesellschaftlich als nicht nachhaltig angesehen.

Die BKC prüft regelmäßig die Unternehmen auf Einhaltung der Kriterien. Denn Firmen verändern sich und kaufen beispielsweise Unternehmen auf. Kommt die Nachhaltigkeit abhanden, wird nicht mehr investiert. Die Transparenz im Bezug auf Nachhaltigkeit der Unternehmen ist mit den Jahren gestiegen: „Teilweise sind Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, transparenter zu sein, damit sich Finanzinstitute und die interessierte ­Öffentlichkeit ein Bild davon machen können.“ Eines stellt der Leiter für nachhaltige Geldanlagen jedoch klar: „Es gibt weder den nachhaltigen Staat noch das nachhaltige Unternehmen.“ Bei großen ­Konzernen gebe es oftmals irgendwelche ­Geschäftsaktivitäten oder -­felder, die sie für nicht nachhaltig erachten.

Helge Wulsdorf ist Leiter für nachhaltige Geldanlagen bei der BKC.

Nachhaltige Geldanlagen boomen

Aktuelle Zahlen zeigen: Nachhaltige Geldanlagen boomen. Dem Umweltbundesamt zufolge hat sich das Anlagevolumen von 2019 bis 2021 mehr als verdoppelt. Seit August 2022 ist es auch Pflicht bei der Anlageberatung, nach den ­Nachhaltigkeitspräferenzen zu fragen. Ein Vorurteil, das sich unter Skeptikern hält: Nachhaltige Geldanlagen sind teurer und bringen kaum Rendite. „Würden sich nachhaltige Geldanlagen nicht lohnen, wären wir nicht mehr am Markt“, sagt Wulsdorf und entkräftet somit die Aussage. Es gebe aber auch Fälle, in denen die BKC aufgrund ihrer Kriterien nicht vom Wachstum profitiere: „Aufgrund des Krieges in der Ukrai­ne etwa, sind Aktien in den Branchen Rüstung und Militär stark gestiegen. Daran haben wir nicht partizipiert, da wir bewusst nicht in so was investieren“, erklärt Wulsdorf. Umgekehrt sei es 2011 gewesen, als in ­Fukushima das Kernkraftwerk havariert ist. Die BKC investiere nicht in Atom­energie und musste deswegen die damaligen Verluste der Versorger nicht mittragen.

„Es mag sein, dass kurzfristig aus nicht nachhaltigen Unternehmen vielleicht noch Rendite rauszuholen ist, langfristig lohnen sich solche Investments nicht“, macht er deutlich. Da wären wir wieder bei dem Begriff der Nachhaltigkeit bzw. Zukunftsfähigkeit.

Fest steht: Der Kapitalismus in seiner jetzigen Form wird wohl kaum zu einer klimaneutralen Welt führen. Ist grüner Kapitalismus die Lösung? Am Ende geht es bei Geldanlagen um Wirtschaftswachstum und Konsum. „Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit müssen sich nicht widersprechen“, sagt Wulsdorf, man müsse aber sehr genau schauen, wie man nachhaltiges, sprich sozial-­ökologisches Wachstum gestalten könne. Wulsdorf zufolge geht es dabei auch um einen bewussten Konsum, wozu auch Geldanlagen gehören. Grundsätzlich kritisiert er die Messung der Wachstumsfrage am Bruttoinlandsprodukt und fordert das Einbeziehen von Faktoren ökologischer und sozialer Art. Auch die ärmere Bevölkerung profitiere vom nachhaltigen Wirtschaftswachstum, sollte das Pariser Zwei-Grad-­Ziel noch erreicht werden. Helge Wulsdorf sagt: „Wenn wir keine Umwelt mehr haben, dann nützt uns auch die beste Wirtschaft nichts.“

Helena Mälck

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