Warum denn heute noch Sankt Martin?
Er teilte seinen warmen Soldatenmantel mit einem Bettler. Er entsagte seinem sicheren Offiziersleben und legte sich als Sozialbischof mit Staat und Kirche an. Sankt Martin – ein beliebter Heiliger, vor über 1.600 Jahren gestorben und für unsere Tage erklärt.

Er teilte seinen warmen Soldatenmantel mit einem Bettler. Er entsagte seinem sicheren Offiziersleben und legte sich als Sozialbischof mit Staat und Kirche an. Sankt Martin – ein beliebter Heiliger, vor über 1.600 Jahren gestorben und für unsere Tage erklärt.
Wofür steht der heilige Martin?
In Europa bräuchte es heute mehr von seinem Schlag: Die Not der anderen ging dem römischen Soldaten Martin (316/17-397) über seine eigene Karriere. Buchstäblich grenzüberschreitend war er und hatte den klaren Blick für den Nächsten. Ein Christ, der im entscheidenden Moment seines Lebens barmherzig war und „an die Ränder“ ging. Der heilige Martin steht für Frieden und Solidarität, für mehr Aufmerksamkeit gegenüber Randgruppen. Er ist Patron der Bettler, der Geächteten und der Kriegsdienstverweigerer.
Warum wird der Martinstag am 11. November gefeiert?
Normalerweise ist der Todestag eines Heiligen automatisch auch sein Namenstag im Jahreskalender. Tatsächlich aber starb der heilige Martin am 8. November während eines Pfarreibesuchs im Örtchen Candes am Loire-Ufer. Damals drängten die Bürger von Tours auf die Herausgabe ihres Bischofs – doch in Candes wollte man ihn dort behalten. Am Ende entführten die Tourains ihn bei Nacht und treidelten ihn den Fluss hinunter. Und überall am Ufer sprossen laut Überlieferung plötzlich weiße Blüten: der „Sommer des heiligen Martin“ mitten im November! Drei Tage später, am 11., fand in Tours die Beisetzung statt.
Wofür steht der Martinstag (11. November) im Jahreskalender?
Der Martinstag war traditioneller Pacht- und Zahltag am Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres. Es wurde geschlachtet; Gänse und frische Wurst waren in Umlauf. Ein Grund, warum Landarbeiter und Kinder um die Häuser zogen, sangen, Segen wünschten und dafür mit Naturalien belohnt wurden.
Nach dem Martinstag begann die 40-tägige Fastenzeit vor Weihnachten („Martinsquadragese“). Also wurde noch mal ordentlich hingelangt – wie noch heute an den Tagen vor Aschermittwoch. Und das, obwohl Martin selbst, der mönchische Einsiedler und Bischof, ein ausgemachter Asket war. In Frankreich gibt es sogar die Bezeichnung „Martinsschmerzen“ („mal de Saint-Martin“) für Bauchweh und Kater nach einem Gelage. Denn am Martinstag wurde auch erstmals der neue Wein ausgeschenkt – ein jahrhundertealter Brauch, den erst Mitte der 1970er Jahre der Hype um den Beaujolais Primeur zuschanden machte.
Und wie wird das Schlachten der Martinsgans in der Legende erklärt?
Berichtet wird, die Bürger von Tours wollten den Einsiedler Martin als ihren Bischof haben. Unwillig, sein zurückgezogenes Leben aufzugeben, habe sich Martin im Gänsestall versteckt, sei aber von den schnatternden Gänsen verraten worden. Diesen Verrat müssen sie bis heute teuer bezahlen.
Was haben die protestantischen Preußen mit dem französischen Bischof Martin und dem Brauchtum am Martinsabend zu tun?
Seit jeher wurde der Martinsabend mit seinen Martinsfeuern ausgelassen gefeiert. Entsprechend sorglos-undiszipliniert agierte die Dorfjugend. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wünschten sich die Preußen in ihren Rheinlanden mehr „Zucht und Ordnung“; und so kanalisierten sie das Brauchtum des Holens und Sich-Organisierens von Nahrungsmitteln in ein geregeltes Geben und Zuteilen.
Ein reitender Sankt Martin – eine fromme Autoritätsperson also – ging einem „ordentlichen“ Fackelzug voran. An einem zentralen Feuer (statt vieler kleiner, unbeaufsichtigter) verteilte Martin an alle Kinder Süßigkeiten: einen Weckmann und/oder eine Martinstüte. Bis heute ist in manchen Regionen das „Singen“, „Heischen“, „Gripschen“ oder „Kötten“ von Tür zu Tür verpönt – während es anderswo fest zum Martinsbrauchtum dazugehört.
Was ist aus dem halben Mantel geworden?
Als Martin seinen Mantel mit dem Bettler teilte und damit Militäreigentum beschädigte, beging er eine Straftat, auch wenn damals nominell die Hälfte der Kleidung dem römischen Staat und die andere dem Soldaten selbst gehörte. Heute gilt der halbe Mantel als ein Zeichen christlicher Barmherzigkeit. Im Mittelalter wurde er von den Frankenkönigen als Glücksbringer mit in die Schlacht geführt. Später verlieren sich seine Spuren.
Im spätantiken Latein hieß der mantelartige Umhang „cappa“. Die angebliche Cappa des heiligen Martin war eine der bedeutendsten Reliquien des Reiches. Zu seiner Bewachung wurden eigens Geistliche abgestellt, sogenannte Kapellane. Sie betreuten auch die jeweilige „Kapelle“; also jene Gotteshäuser, in denen die Cappa aufbewahrt wurde. Bis heute ist ein „Kaplan“ ein Geistlicher für besondere Aufgaben und die „Kapelle“ ein Gotteshaus ohne unmittelbare Zuweisung für die Pfarrseelsorge. Oder aber eine Gruppe von Musikanten, die ursprünglich wohl für die liturgische Gestaltung von Gottesdiensten an der „Cappa“ zuständig waren.
Warum ist in Frankreich das Martinsbrauchtum fast völlig vergessen?
In Frankreich, wo Martin als Bischof von Tours wirkte, kennt kaum jemand mehr seine Legenden und Geschichten. Ein Grund dafür ist auch, dass der fromme Oberkommandierende der Westalliierten im Ersten Weltkrieg, Marschall Ferdinand Foch, das Datum der deutschen Kapitulation auf den 11. November 1918 legte, den Martinstag. Für das Bewusstsein um den heiligen Martin war das (ungewollt) ein Bärendienst. Denn bis heute ist der 11. November in Frankreich zwar ein Feiertag – aber als staatlicher „Tag des Waffenstillstands“, an dem der Gefallenen gedacht wird und nicht mehr des antiken Bischofs.
Warum gab es zuletzt immer wieder Debatten um den Martinstag?
Immer wieder entstanden in vergangenen Jahren teils heftige Diskussionen, wenn Kindergärten, Schulen oder Stadtverwaltungen Martinsumzüge und Martinsfeste in „Lichterfest“, „Laternenumzug“ oder „Sonne-Mond-und-Sterne-Feiern“ umbenennen wollten. Als Grund wurde oft eine Rücksichtnahme auf Nichtchristen genannt, insbesondere auf Muslime. Kritiker sprachen von unnötiger Verweltlichung oder gar von einem „Verrat am christlichen Abendland“.
KNA

Stichwort St. Martin
Am 11. November feiern Christen das Fest des heiligen Martin, eines der populärsten Heiligen überhaupt. Die nach ihm benannten Umzüge erinnern an die Legende, nach der er als römischer Soldat seinen Mantel mit einem Bettler teilte, um diesen vor dem Erfrieren zu retten.
Martin wurde 316/317 in der Stadt Sabaria (Szombathely) im heutigen Ungarn geboren. Der Sohn eines römischen Tribuns trat auf Wunsch seines Vaters in die römische Armee ein. Nach seiner Bekehrung ließ sich Martin mit 18 Jahren taufen, quittierte seinen Dienst und wurde zunächst Missionar. Seit 371 war er Bischof von Tours in Frankreich, wo er am 8. November 397 starb.
Das Grab des fränkischen Nationalheiligen und Patrons der Schneider, Bettler, Geächteten und Kriegsdienstverweigerer in der Kathedrale von Tours ist eine bedeutende Wallfahrtsstätte. Mit dem Namensfest sind viele Bräuche verbunden. So ziehen Kinder mit Laternen zu einem Martinsfeuer. Oft werden sie dabei von einem Reiter begleitet, der – mit römischem Helm und Purpurmantel bekleidet – an den Soldaten Martin und dessen gute Tat erinnern soll.
In vielen Gegenden singen die Kinder danach in ihrem Wohnviertel Martinslieder, um Süßigkeiten und mancherorts auch einen gebackenen „Weckmann“ oder „Stutenkerl“ zu erhalten. Dieser Brauch geht auf den Beginn der früher üblichen sechswöchigen vorweihnachtlichen Fastenzeit zurück.
Die oft an diesem Tag verzehrte Martinsgans erinnert an die Legende, nach der sich der Heilige in einem Gänsestall versteckte, um seiner Wahl zum Bischof zu entgehen. Die schnatternden Tiere verrieten ihn jedoch. Andere Martinsbräuche wie Feuer und Fackelzug sind nichtchristlichen Ursprungs.

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