Essen ist fertig – Beispielprojekt der Diasporaaktion

Das ­Bonifatiuswerk unterstützt das Angebot „Essen ist fertig!“ in diesem Jahr mit seiner Diaspora-­Aktion.

Das Küchenteam (v. l.): Christine Brothun, Gaby Sanniter und Lissy Eichert. (Foto: Marius Thöne)
Das Küchenteam (v. l.): Christine Brothun, Gaby Sanniter und Lissy Eichert. (Foto: Marius Thöne)
veröffentlicht am 05.11.2023
Lesezeit: ungefähr 5 Minuten

Steigende Mieten, teure Lebensmittel, hohe Energiepreise: Das sind nur drei der Gründe, warum Menschen in Berlin zum sozialen Catering in die Kirchengemeinde St. Christophorus gehen. Das ­Bonifatiuswerk unterstützt das Angebot „Essen ist fertig!“ in diesem Jahr mit seiner Diaspora-­Aktion.

Berlin. Den Bedürftigen, die den Weg in die Gemeinderäume im Keller des Gotteshauses finden, fehlt oftmals das Geld für das Nötigste – auch für eine warme Mahlzeit. „Es ist ein Dilemma“, sagt Evelyn. Die Rentnerin (76) wohnt in direkter Nachbarschaft zur Kirche am Reuterplatz. 1 000 Euro hat die ehemalige Textillaborantin jeden Monat zur Verfügung. Ein großer Teil geht für die Miete, Strom und Gas drauf. „Alles ist ja teurer geworden.“ Sie berichtet von ihren Sorgen und davon, dass sie bei Lebensmitteln sparen muss.

Der Pallottinerpater Kalle Lenz ist Pfarrvikar in der Pfarrei Heilige Drei Könige in Nord-­Neukölln, zu der die ­St.-Christophorus-­Gemeinde gehört. Der gebürtige Kasselaner lebt seit 30 Jahren in Berlin. Er berichtet, dass sich der Reuter-­Kiez rund um die Kirche stark verändert habe. Lenz spricht von Gentrifizierung. „Der Kiez ist hip, er ist angesagt. Früher hörte man neben Deutsch hier Türkisch und Arabisch, heute sind es mehr Englisch und Spanisch.“ So wie Evelyn gehe es vielen. „Einige sind nach Sanierungen sogar aus ihren Wohnungen verdrängt worden.“

Mittagstisch im Gemeindesaal

Evelyn sitzt mit etwa 20 anderen Gästen des Mittagstisches an diesem Dienstag im Gemeindesaal. Nebenan in der Küche brutzeln die Spiegeleier in der einen und der Leberkäse in der anderen Pfanne. Hier ist das Reich von Christine Brothun. Früher hat die 72-­Jährige ganze Kinderfreizeiten bekocht. Jetzt widmet sie sich mit viel Enthusiasmus den Bedürftigen. Zum Leberkäse mit Ei gibt es Kartoffeln und Rotkohl, einen Salat vorweg und Grießpudding zum Nachtisch.

Ein großes ehrenamtliches Team packt mit an. Cordula Falk (45) ist für den Salat zuständig. Die Keramikerin ist selbstständig, kann sich ihre Arbeitszeit freier einteilen als jemand, der acht Stunden in einer Werkstatt sein muss. „Für mich ist das die sinnvollste Aufgabe der Woche“, bringt sie auf den Punkt, was alle denken, die mithelfen. Cordula Falk ist vor einem Jahr eingestiegen. Sie hatte den Gottesdienst besucht und von „Essen ist fertig!“ erfahren.

Katrin Schings ist etwas später dazugestoßen und hat sich zur Nachtischexpertin entwickelt. Heute hat die 58-­Jährige Grießbrei mit Kiwi für die Gäste zubereitet. Sie fühlt sich wohl in der Berliner Gemeinde, die aus ihrer Sicht für Offenheit und eine starke Einbindung der Gläubigen steht. „Hier wird der Syno­dale Weg schon gelebt“, sagt sie. Sechs Köpfe Rotkohl haben Christine Brothun und ihr Küchenteam an diesem Dienstag gerieben, 68 Eier gebraten und 20 Kilo Kartoffeln gekocht. Während in der Küche gespült wird, sitzen noch einige Gäste an den Tischen zusammen. Denn es geht bei „Essen ist fertig!“ nicht nur darum, den leiblichen Hunger, sondern auch den „Hunger der Seele“ zu stillen, wie es Pastoralreferentin Lissy Eichert (57) beschreibt. Auch sie gehört der pallottinischen Gemeinschaft an.

Andreas (60) und Achim (64) schätzen das gemeinsame Essen und das Gespräch im Anschluss. Andreas kommt von etwas weiter her, er lebt in der Nähe des Alexanderplatzes. Kennengelernt hat er die Gemeinde in der Corona-­Zeit. Damals, als Suppenküchen schließen mussten, hat das Team in Neukölln weitergekocht und die Speisen im Kirchgarten aus einer Holzbude heraus zum Mitnehmen angeboten. Eine Übergangslösung, die sich bis heute erhalten hat. Die Gäste können wählen, ob sie eine Mahlzeit mitnehmen oder vor Ort essen möchten.

Finanziert durch Geld- und Lebensmittelspenden

Finanziert wird der Mittagstisch durch Geld- und Lebensmittelspenden, getragen vom Verein „Pallotti-­Mobil – Bedürftige helfen Bedürftigen“. „Es muss günstig sein, aber trotzdem gesund“, sagt Lissy Eichert. Sie setzt sich seit Jahrzehnten in Berlin für Bedürftige ein und kennt viele Mut machende Geschichten. Eine ist die vom mittlerweile verstorbenen Kempinski. Das war nicht der echte Name des „krawalligen Typs“, aber darunter kannten ihn alle. Kempinski war in einen typischen Teufelskreis geraten, war straffällig geworden, saß im Gefängnis und lebte vier Jahre lang auf der Straße. Den Kontakt zu seiner Familie, besonders zu seinen Kindern, hatte er verloren. „Darunter hat er sehr gelitten“, erzählt Lissy Eichert. Kempinski kam erst als Gast zum Essen und hat später für die Gäste gekocht. Eine Tätigkeit, die ihm Halt gab und ihn wieder einen Sinn im Leben erkennen ließ. „Es ist ihm dann gelungen, den Kontakt zu seinem Sohn wiederherzustellen“, berichtet Eichert.

Das erste Treffen zwischen den beiden nach vielen Jahren fand in der Kirchenküche statt, wo Vater und Sohn zusammen gekocht haben. „Er war so stolz und hat allen erzählt, dass er seinen Sohn wiedergefunden hat“, erzählt Eichert. Ein Ereignis, das sie bis heute rührt. „Wer auf der Straße lebt, vertraut niemandem. Oft ist es so, dass die Leute, die hierherkommen, sagen: Ihr seid die Ersten, denen ich wieder vertrauen kann“, sagt Eichert. Und mancher bittet nach dem Essen um einen persönlichen Segen.

Info

Im November macht das Bonifatiuswerk mit der Diaspora-­Aktion auf die Herausforderungen katholischer Christen aufmerksam, die als Minderheit in der Gesellschaft ihren Glauben leben – in Deutschland, aber auch in Nordeuropa und im Baltikum. Alle sind dazu eingeladen, sich für die Anliegen der Katholiken in der Diaspora einzusetzen. Höhepunkt der deutschlandweiten Aktion ist der sogenannte Diaspora-­Sonntag am 19. November. Dieser Tag der Solidarität wird traditionell am dritten Wochenende im November begangen. Dann sammeln katholische Christen in den Gottesdiensten für die Belange ihrer Glaubensgeschwister in der Diaspora. Die feierliche Eröffnung der Diaspora-­Aktion findet am Sonntag, 5. November, in Berlin statt. Die diesjährige Aktion steht unter dem Leitwort „Entdecke, wer dich stärkt.“.

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