Der Tod – nichts für Kinder?

Der Tod gehört zu den größten Tabuthemen unserer Gesellschaft. Während die Verwandten früher zu Hause starben, wird heute kaum übers Sterben geredet. Besonders Kinder sollen vor dem Thema geschützt werden. Doch was ist der richtige Weg? Und wie redet man mit Kindern über den Tod?

Marianne Mylius sitzt mit den Kindern um den „Baum der Erinnerung“. (Fotos: Andreas Wiedenhaus)
Marianne Mylius sitzt mit den Kindern um den „Baum der Erinnerung“. (Fotos: Andreas Wiedenhaus)
veröffentlicht am 03.11.2023
Lesezeit: ungefähr 6 Minuten

Der Tod gehört zu den größten Tabuthemen unserer Gesellschaft. Während die Verwandten früher zu Hause starben, wird heute kaum übers Sterben geredet. Besonders Kinder sollen vor dem Thema geschützt werden. Doch was ist der richtige Weg? Und wie redet man mit Kindern über den Tod?

Brenkhausen. Ein zweijähriges Kind steht vor einem offenen Grab und winkt in den Himmel. Eine Szene mit einer hohen Symbolkraft. Die Zweijährige ist die Enkeltochter von Marianne Mylius, Leiterin der Kindertagesstätte St. Johannes Baptist in Brenkhausen. Mittlerweile ist ihre Enkeltochter nicht mehr zwei, die Beerdigung aus der Verwandtschaft liegt schon Jahre zurück. Doch dass Kinder auf Beerdigungen mitgenommen werden, ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr.  

Der Tod ist ein Tabuthema – gerade im Zusammenhang mit Kindern. Während früher Großeltern oft noch zu Hause verstorben sind, werden heute nicht selten Todesfälle verschwiegen oder Umschreibungen benutzt wie: „Opa ist für immer eingeschlafen.“ Doch Kinder brauchen Klarheit, sagt Marianne Mylius. Nebulöse Aussagen könnten dazu führen, dass Kinder nicht mehr schlafen wollen.  

Im Frühjahr besuchte Mylius eine zweitägige Fortbildung der Diplom-­Psychologin Cécile Droste zu Vischering zu dem Thema „Mit Kindern über Tod und Trauer sprechen“. An dem Angebot nahmen neben einem Kinder- und Jugendcoach, der selbst Kurse für Kinder anbietet, hauptsächlich Erzieherinnen und Erzieher teil. Denn das Thema Tod macht vor Kindern keinen Halt. Marianne Mylius wollte sich mit der Thematik aber auch aus eigener Betroffenheit beschäftigen. Die Tochter der Kita-­Leiterin ist krebskrank, ihre Enkeltochter zwölf. Wie verhält man sich in solch einer Situation? 

Das Thema Tod in der Kita

„Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt und alles, was dazwischen liegt“, sagt Mylius. Um den Kindern in der Kita das Thema näherzubringen, geht sie mit dem Tod offen um. So holt Mylius auch an diesem Mittwoch die Kinder zusammen, um ihnen die Geschichte vom Fuchs und dem Baum der Erinnerung zu erzählen.  

Zwölf Kinder sitzen im Foyer der Kita im Halbkreis aus Stühlen um einen Tisch herum und hören zu, wie Mylius anfängt, von dem alten Fuchs zu erzählen, der sich im Wald in den Schnee legt. „Der ist gestorben“, ruft ein Kind rein, das sich noch an die letzte Erzählung erinnert. Mylius fährt fort, berichtet, wie der Fuchs stirbt und vom Schnee bedeckt wird, wie dann alle Waldtiere kommen und anfangen, ihre Erinnerungen zu teilen. Dabei bindet Mylius die Kinder mit ein und lässt sie mit Holzfiguren die Geschichte darstellen. Am Ende entsteht ein Baum der Erinnerung, durch den der Fuchs den Tieren auch nach seinem Tod nahe bleibt.

Die Erzählung „Der Baum der Erinnerung“ ist nicht neu für die Kinder. „Wir haben die Geschichte zuvor innerhalb des Buches erarbeitet“, sagt die Leiterin. Doch sie erzähle sie anders, als es in der Erzählung steht. Den Satz, in dem der Fuchs eingeschlafen ist, tauscht sie aus. Stattdessen sagt sie, dass das Herz des Fuchses stehen­geblieben ist, benennt klar, dass er stirbt.

Zum Schluss holt ein Kind eine elektrische Kerze und stellt sie zu dem Bild aus den Holzfiguren. „Die Kerze leuchtet hier, wenn im Umkreis der Kinder jemand gestorben ist“, erklärt die Kindergärtnerin. Doch auch zu anderen Anlässen wie der Geburt wird sie aufgestellt. Plötzlich ruft ein Kind den Namen einer Frau rein, die für ihn eine Art Oma darstellte und vor Kurzem verstorben ist. „Sie hat immer ganz viele Plätzchen ­gemacht“, erinnert er sich. Am Tag der Beerdigung wird die Kerze vermutlich für sie hier leuchten. 

Zusammenarbeit mit Eltern

„Wenn eine Situation zu Hause eintritt, ist die Zusammenarbeit mit den Eltern wichtig“, sagt Mylius. „Familien haben unterschiedliche Wege damit umzugehen. Viele sind auch verunsichert.“ Mylius erzählt von einem Fall, in dem ein Todesfall nicht mit dem Kind besprochen wurde. „Wenn etwas totgeschwiegen oder nicht richtig bearbeitet wird, wirkt sich das auf das Kind aus.“ Stirbt jemand im Umfeld, brauchen die Kinder eine Person, der sie sich anvertrauen können, so die Erzieherin, am besten jemanden mit räumlichem Abstand. Trauer komme auch in anderen Situationen vor, zum Beispiel, wenn ein Elternteil den Kontakt zum Kind abbricht. 

Häufiger begegne Kindern der Tod jedoch bei Tieren, erklärt Mylius. „Da liegt z. B. ein toter Vogel auf dem Spielplatz oder es wird eine tote Spinne im Wald gefunden.“ In solchen Situationen haben sie in der Kita auch schon mal eine Beerdigung gefeiert. 

Ältere Kinder verstehen mehr als jüngere

Wenn so etwas passiert, können ältere Kinder das besser verstehen und einordnen als jüngere, berichtet die Kita-­Leiterin aus Erfahrung. „Für die Größeren ist der Tod schon ein Thema. Sie wissen auch, dass damit Gefühle verbunden sind.“ Kleinere hingegen würden da eher sachlich rangehen und die Situation beschreiben. Unter den Schulanfängern können sich die Kinder bereits gegenseitig stützen.  

Während Erwachsene Kinder häufig vor dem Thema schützen wollten, seien Kinder oft sehr direkt im Umgang mit dem Tod. Und da kämen auch Fragen auf wie: Was essen die Toten denn? Oder: Oma, habt ihr den da etwa verbuddelt? 

„Kinder trauern anders als Erwachsene“, stellt Mylius klar. Sie bezieht sich auf die Fortbildung von Cécile Droste zu Vischering, die den Trauerprozess von Kindern mit dem Bild des „Pfützenspringens“ beschreibt. Während ein Kind in einem Moment noch traurig ist, kann es kurz darauf wieder fröhlich spielen. Dies stelle eine Schutzvorkehrung dar, heißt es in dem Begleitbuch „Sterben, Tod und Trauer im Kindergarten“. Dieser Schutzmechanismus verhindere eine ernsthafte und nachhaltige Beeinträchtigung in der Entwicklung. Gibt es etwas, das Erwachsene von Kindern im Umgang mit Trauer lernen können? Mylius sagt: „Dass nach Regen immer wieder die Sonne kommt.“

Helena Mälck

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