Geistlicher Missbrauch – „Ich weiß, was Gott für dich will“
Die DBK hat eine Broschüre zum geistlichen Missbrauch veröffentlicht. Die Paderborner Ordensreferentin hat mitgeschrieben.

Seit 2018 ist Dr. Rosel Oehmen-Vieregge Ordensreferentin im Erzbistum. Seitdem hat sie mit einem Thema zu tun, das nun aufgrund einer Broschüre der Deutschen Bischofskonferenz ins Bewusstsein einer breiteren kirchlichen Öffentlichkeit kommt bzw. kommen soll: geistlicher Missbrauch.
Erzbistum (-berg). Schon wieder Missbrauch, ein Thema, das mindestens nervt, aber wichtig ist. Denn öffentliches Beschweigen hat jahrzehntelang die Täter geschützt und Menschen zu Opfern gemacht. Öffentliches Reden kann – so die Hoffnung – der Prävention dienen. „Die Broschüre“, so Oehmen-Vieregge, „soll allen Seiten helfen, sprachfähig zu werden.“ Wovon also ist nun zu sprechen, was genau ist geistlicher Missbrauch? Die Broschüre, an der Oehmen-Vieregge mitgearbeitet hat, definiert diesen als den Missbrauch geistlicher Autorität. Verübt wird er von Menschen, die einen anderen geistlich, spirituell begleiten. Geistlicher Missbrauch ist die Pervertierung von Seelsorge. Statt einen suchenden oder vom Leben irritierten Menschen in die Freiheit der Kinder Gottes zu begleiten, bindet ein geistlicher Missbrauchstäter ihn immer mehr an sich. Nicht selten ist er die Vorstufe für sexuellen Missbrauch.
Was die Täter ausmacht

Gefragt nach den Tätern, sagt Oehmen-Vieregge: „Es sind nicht nur Männer. Das Phänomen gibt es auch in Frauenorden. Täterinnen können also auch Oberinnen oder Novizenmeisterinnen sein.“ Es seien jedenfalls Menschen, „die davon überzeugt sind, dass das, was sie im Namen Gottes sagen, richtig ist.“ Nur sie wissen, was Gott für den anderen will, nur sie wissen, was gut für den Menschen ist, der sich ihnen anvertraut hat. Neben dem Exklusivbewusstsein zeichnet solche Täter zudem eine niedrige Toleranzgrenze aus: „Wenn die begleitete Person nicht den vorgegebenen Weg geht, kann es sein, dass mit starkem Druck gearbeitet wird.“ Nach seinen Motiven gefragt, wird ein Täter vermutlich sagen, er rette Seelen, tatsächlich muss man wohl auch narzisstische Tendenzen vermuten.
„Love bombing“
Missbrauch geistlicher Autorität gibt es in den traditionellen Ordensgemeinschaften, aber besonders auffällig geworden sind in den letzten Jahren einige neuere geistliche Gemeinschaften, wie die Integrierte Gemeinde oder auch die Bewegung Totus Tuus. Ausgerechnet solche also, die von der kirchlichen Hierarchie oft als Hoffnungsträger angesehen wurden und werden: Gruppen, die scheinbar neuen Schwung in ein erlahmtes Leben an der kirchlichen Basis bringen. „Sie verbreiten extrem gute Laune“, sagt Rosel Oehmen-Vieregge, „sie können auf Menschen zugehen und praktizieren eine ausgefeilte Willkommenskultur, wo jeder sehr schnell Teil des Ganzen sein möchte.“ In der Fachwelt wird auch vom Love-Bombing gesprochen.
Kirche kein sicherer Ort
Aber nicht nur in mehr oder weniger geschlossenen Gruppen kann geistlicher Missbrauch geschehen, sondern de facto in sämtlichen kirchlichen Bezügen. Die Kirche müsse, so heißt es in der Broschüre, „für alle zu jeder Zeit ein sicherer Ort sein“. Das sei sie nicht, hatte Oehmen-Vieregge schon vor Jahren im Interview mit dem Dom gesagt, „und das würde ich – bezogen auf die Institution – nach wie vor sagen. Daher dürfen wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen, Vertrauen wiederzugewinnen.“ Wie groß das Problem tatsächlich ist, lässt sich kaum ermitteln. Um es möglichst klein zu halten, setzt die Ordensreferentin auf Prävention.
Sie ist bereits mit dem Priesterseminar im Gespräch, und auch die teils ehrenamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger in Verbänden und karitativen Einrichtungen hat sie im Blick. Denn: Seelsorge ist schließlich das Kerngeschäft der Kirche und es sei großartig, wenn sie im Altenheim etwa ehrenamtlich geleistet werde. „Es kommt darauf an, dass starke Menschen zusammenkommen“, sagt sie und dass die, die begleiten, ein hohes Maß an Reflexionsvermögen haben und wissen, dass sie nicht über exklusiven Zugang zu göttlichem Wirken verfügen.
Das Erzbistum hat vor kurzem eine Arbeitsgruppe zum Thema „Maßnahmen gegen geistlichen Missbrauch und Machtmissbrauch an Erwachsenen in der Kirche“ installiert, die Rosel Oehmen-Vieregge leitet. Bislang kann die Gruppe nur Vorschläge dafür entwickeln, wie sich das Bistum aufstellen soll. Entscheiden muss dann der neue Erzbischof. Ziel sei aber, eine Anlaufstelle zu konzipieren, an die sich Betroffene wenden können.
Info
Die Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz hat eine Anlaufstelle für alle Menschen eingerichtet, die als Erwachsene Gewalt in der Kirche erfahren haben. Auch Betroffene von geistlichem Missbrauch sind angesprochen. Die Anlaufstelle ist erreichbar über die Internetseite: www.gegengewalt-inkirche.de.
Die Broschüre ist erhältlich bei der Deutschen Bischofskonferenz, www.bischofskonferenz.de.

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